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Motorsäge des Schicksals

Freitag

Ich konnte heute keinen Morgenbeitrag schreiben. Mein Rechner wurde von einem Virus befallen. Er wurde krank, bis das Antivirenprogramm den kleinen Eindringling isolieren und unschädlich machen konnte.

Ich hätte, nach der Art, wie meine Mutter es mich lehrte, den Rechner mit Tee und einer Wärmflasche versorgen sollen. Ein Rechner ist doch auch nur ein Geschöpf. Er ackert den ganzen Tag, bis ich ihn am Abend in die Nacht entlasse, die er an seinem angestammten Platz erleben muss. Nicht, dass er sich ängstigt. Das würde ich nicht wollen.

Vielleicht sollte ich ihm einen Platz im ehelichen Bett suchen. Er könnte wie eine Katze zu meinen Füßen schlafen. Lief er lange genug, wird er gar Wärme abstrahlen. Ich könnte auf ihn einreden, ihn bitten, wenn er auf Tour geht, etwa um seine Maus zu suchen, dies mit bedächtigen Schritten zu tun, damit meine Frau und ich nicht wach werden.

Ein Rechnerleben ist eine Sauerei. Man steht beständig am selben Ort. Nie eine Urlaubsreise.

Die Reisebüros pennen, sonst hätten sie bereits einen Katalog für Rechner entworfen.

Ein Rechner wird dorthin wollen, wo er nicht er sein muss, also in ein Land ohne Strom. Weit in den Norden würde es ihn ziehen, in ein Iglu, um abschalten zu können.

Bei mir hat er keine Zeit, sich ausruhen. Ständig wird er benutzt. Wie eine Prostituierte wird er ausgenutzt. Meine Finger tippen Worte, die er verarbeiten und ins Internet spucken muss.

Für ein schlechtes Gewissen habe ich keine Zeit.

Nachher besuchen wir ein Künstlerehepaar. Bei einem Künstlerehepaar wird selbst die Ehe zum Kunstwerk, weil ein Künstler seinem beständigen Schöpfungsdrang ausgesetzt ist. Solche Menschen kochen nicht, sondern kreieren Speisen. Sie laufen nicht, sie flanieren. Sie atmen auch nicht, sondern nehmen und geben Leben.

Ich bewundere so etwas, weil ich nicht mal koche, sondern esse. Ich laufe auch nicht, sondern sitze. Und atmen muss ich, weil ich sonst umfallen würde. Das ist mehr ein Zwang der Schöpfung.

Guten Abend, Welt!