Lob des Theaterbesuchs (nebst kritischer Anmerkungen)
Ich gehe gerne ins Theater. Dort sitzt man weich. Und man muss den Blick nicht schweifen lassen. Das ist nämlich eine Unart der Moderne, dass man den Blick schweifen lassen soll, weil immer überall etwas los sein könnte.
Im Theater ist nur vorne etwas los. Seltener im Magen des Nebenmannes, der selbstverständlich, weil ich ein politisch korrekter Mann bin, auch eine Frau sein kann, eine Nebenfrau also, die man nicht haben sollte, liebt man seine Frau ehrlich und aufrichtig.
Erlischt das Licht, hebt sich der Vorhang, beginnt die Vorstellung. Fortan versinkt man im Dunkel des Zuschauersaals. Man wird nicht beobachtet. Man ist frei.
Ich nutze die Stunden, die ich im Theater verbringe, um zu schlafen. Schon Claus Peymann sagte im Angesicht der Aufführungslänge des Sportstücks von Elfriede Jelinek, dass der Theaterschlaf einer der gesündesten sei. Er empfahl ihn ausdrücklich. Und wer bin ich, dass ich einen solch großen Mann des Theaters, der selbstverständlich, wir beachten die politisch korrekte Beschreibung, auch eine Frau sein könnte, kritisieren würde.
Schläft man erst, ist darauf zu achten, dass man den Schlaf des Nebenmanns, der Nebenfrau nicht stört. Keine lauten Schnarcher also. Das schickt sich nicht. Man muss den Schlaf beherrschen. Es sind die großen Schlafkünstler, die im Theater gefragt sind.
Während auf der Bühne gelogen, betrogen, getötet und geliebt wird, entspannt man sich einmal recht von den Sorgen und Nöten des Alltags.
Man kann abtauchen, um sich aus dem Leben in die Scheinwelt der Träume zu stehlen.
Ein gutes Stück erkennt man an seiner Länge. Unter vier Stunden mache ich es nicht. Sonst komme ich am Ende aus dem Theater und bin nicht ausgeschlafen. Und dann?
Die Stirn in Falten, so durschreitet man die Straßen. Wird zum Stein des Anstoßes. Nein, nicht mit mir.
Ist das Stück beendet, schrecke ich in die Realität zurück. Ich reiße die Augen auf und lasse es mir, war der Schlaf erholsam, nicht nehmen, meine Hände durch fortwährendes Klatschen in Mitleidenschaft zu ziehen.
Sollte ich allerdings noch Müdigkeit in meinen Knochen verspüren, kann es geschehen, dass ich nach einer Zugabe verlange.
Ob ein Theaterbesuch ein Erfolg wird, hängt vor allem an einem selbst.
Spät in der Nacht liege ich oft wach, und denke an den Abend zurück, der mir nun, da ich ausgeschlafen habe, die Nachtruhe raubt. Und ein wenig, ich gestehe das gerne ein, sehne ich mich nach den Zeiten zurück, da es noch keine Theater gab. Zeiten, in denen die Menschen noch miteinander schliefen. Doch es scheint mir, dass diese Form der Moderne nicht mehr zu stoppen ist.
Es war meine Mutter, die bereits Wert darauf legte, dass ich nicht zu oft vor einer Bühne saß. Sie verteufelte alle, die ihre Kinder in den ersten Reihen eines Theaters absetzten, um sich ihren eignen Interessen widmen zu können.
Wie so oft, ging auch ich in die Falle und verfiel dem Medium Theater. Ganz süchtig bin ich danach. Ein Verfallener, wie meine Mutter solche Leute zu nennen pflegte.
Wie auch immer, das Theater ist nicht aufzuhalten, denn der Mensch hat sich längst daran gewöhnt, seinen Schlaf vor diesem Beruhigungsmittel zu finden.
Und bis es soweit ist, dass man Theaterbühnen erfunden hat, die man ins heimische Schlafzimmer stellen kann, werde ich weiterhin fleißig der Bühne die Treue halten.
Ehrenwort!