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Der Thomas Pynchon seiner Zeit

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Niedelstein, einzige Abbildung zu Lebzeiten, gezeichnet von Ulrike von Martens.

Der Thomas Pynchon seiner Zeit: Johann Friedrich Niedelstein (26.08.1749 bis 21.03.1832).

Christiane: Sinnt Ihr wieder, werter Gatte?
Niedelstein: Gar nichts denk ich.
Christiane: Was kommt heute Abend im Hof? Wir könnten uns gemeinsam ans Fenster setzen.
Niedelstein: Immer nur Fenster, Fenster. Das Fenster macht die Menschen noch ganz blöd.
Christiane: Was wollen wir sonst machen? Wollt Ihr meinen Körper?
Niedelstein: Schweigt, die Wände haben Ohren. Auf den Körper komme ich zurück.
Christiane: Schreibt Ihr gerade an einem neuen Stück oder Gedicht?
Niedelstein: An einem Gedicht über das Dunkelbier. Eine Auftragsarbeit. Da ist man das größte Dichtgenie und muss Auftragsgedichte schreiben.
Christiane: Mein Körper. Nur eine Erinnerung.
Niedelstein: Na, dann geh schon mal vor und entkleide dich. Das dauert ja stundenlang.
Christiane: Und was macht Ihr derweil?
Niedelstein: Was will ich schon machen? Rumsitzen. Den Fernseher haben sie ja noch nicht erfunden.

Aus „Niedelstein – Das Stück“

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Mr. Lobster

lobster

Mr. Lobster hatte den Auftrag erhalten, vor der „Gesellschaft zur Erhaltung und Verbreitung exzentrischen Verhaltens“ eine Rede zu halten. Er schloss sich über ein halbes Jahr in das Zimmer seiner Kinder ein und feilte an der Rede.
Als der große Tag schließlich gekommen war, trat er vor die Gesellschaft. Alle starrten ihn an.
Mr. Lobster hob die Hand mit der Rede. Fünf Minuten lang. Schweißtropfen bildeten sich auf seiner Stirn. So lange hatte er bisher noch nie eine Rede gehalten. Alle hielten gespannt die Luft an. Würde er es schaffen?
Nach drei Minuten feuerte man ihn an. Mr. Lobster streckte den Arm weiter nach oben.
„Sie schaffen das!“, schrie einer.
„Ich will ein Kind von Ihnen!“
Begeisterung schwappte durch den Saal. So gut und so hoch war bisher noch keine Rede gehalten worden.
Mr. Lobster stellte sich auf die Zehenspitzen. Erste Unterhosen flogen auf die Bühne, gefolgt von Perücken und roten Nasen.
Mr. Lobster hatte eindeutig den Nerv der Gesellschaft mit seiner Rede getroffen. Er hatte sich, wie er später gerne erzählte, selbst übertroffen, als er auf das Podium stieg und die Rede weitere zwei Extraminuten lang schwenkte.

(Illustriert von Ulrike Martens)

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Raimund Wendler

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Ute Paulsen

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Schnee ist Wasser, das man essen kann – Die Jugendtagebücher des Dimitri Verscenko

1.

Ich habe versucht, den Schnee zu fangen, der vom Himmel fiel. Ist ganz schön schwierig, vor allem, wenn man Schneeflocke für Schneeflocke aus der Luft klauben will. Und hat man eine, schmilzt sie. „Ja“, sagte meine Mutter, „wie gewonnen, so zerronnen. Merke dir das, Dimitri.“ Sie ging auf ihr Zimmer zurück, weil sie wieder einen Onkel empfing. Täglich kommen an die fünfzehn bis zwanzig Männer, die sich in ihr Bett legen wollen. „Arme Männer ohne Bett“, hat sie mir erklärt. „Ich gebe ihnen für eine Stunde das Gefühl, sie würden wieder über Bettzeug verfügen.“ Meine Mutter ist wirklich eine gute Frau. Ich habe durch das Fenster gespäht. Um die Männer zu wärmen, turnt sie sogar mit ihnen. Und nach einer Weile spielen sie abwechselnd Decke. Jeder darf mal auf jedem liegen. Bin ich groß, will ich auch Decke werden. Oder Turner. Oder beides, wie meine Mutter.

2.

Ich habe gestern mit Onkel Wanja eine Schneefrau gebaut. Ihre Brüste konnten Onkelchen gar nicht groß genug sein. „Lass uns noch mehr Schnee nehmen!“, schrie er aufgeregt und pappte ihn auf die zwei betreffenden Stellen. Er bewegte seine Hände im Kreis. „Oh, die fühlen sich gut an“, stöhnte er. Außerdem bekam sie Unterwäsche übergestreift, die er von Lara, der Dorfschönheit, gestohlen hatte. „Sieht sie nicht ganz wie Lara aus?“ Nein, dachte ich. Im Gegenteil, sie erinnerte mich an Valentin, den Dorfidioten, der sich wieder mal in Frauenwäsche gezwängt hatte. Nachdem wir fertig waren, musste ich Onkel Wanja helfen, die Schneefrau auf einen Karren zu verladen, um sie bei ihm zu Hause in die Wohnstube zu bringen. „Sie wird schmelzen“, sagte ich. Onkel Wanja nickte nervös, leckte sich die Lippen und bat mich, zu gehen.

 

 

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Und mit mir kamen die Tränen

Schnappschuss

Damals luden wir
unsere Waffen noch
mit Hunden.
Am liebsten
feuerte ich mit
Dackeln.
Klein, aber bösartig.

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Und mit mir kamen die Tränen

Dideldum

Als Vertreter
kam ich herum.
Dideldum, sang ich
die ganze Zeit.
Toller Job.
Ich musste ja nichts
weiter machen,
als mir die Füße vertreten.
Eine Woche am Stück,
dann zurück in den Innendienst
als Vorsitzender.
Rotationsprinzip.
Ja, das war eine
tolle Zeit, lange vor der
Rezession, Dideldum.
Laufen und sitzen,
nicht mal denken mussten wir.
Ach, da sitze ich, genügte
als Gedanke.
So saß oder lief ich
und sang DIDELDUM.

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Lehrgedicht für Landwirte und deren Getier

Hochwohlschnabel

Hochmütig,
nicht willens
der Erde mit ihrem Schnabel
einen Besuch abzustatten,
verhungerte die Arrogans.
Wäre das Regenwasser
nicht gewesen,
sie wäre schon früher
verstorben.

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Panzerschiss

rohmel

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Für den gehobenen Seefahrergeschmack

Für den gehobenen Seefahrergeschmack: Hochseeliteratur!

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Und mit mir kamen die Tränen

Supergedicht

Nix

Von nix
kommt nix.
Das wäre dann schon
zweimal nix.
Da soll mal einer behaupten,
das wäre nix.

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Und mit mir kamen die Tränen

Gedicht aus meiner mittleren Schaffensphase, auch Gelbe Phase genannt!

Mauerwerk

Ich bin ein
zäher Künstler,
denn ehe ich
sterbe,
soll mein Mauerwerk
vollendet sein.
Dann können sich
die Kritiker
daran die Köpfe
stoßen.

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Und mit mir kamen die Tränen

Und schon wieder ein tolles Supergedicht!

Morgenlogik

Ich sitze
schon wieder
den ganzen Morgen rum.
Videos kucken.
Und Kaffee schlürfen.
Und rauchen,
aber nur draußen
auf dem Balkon,
weil ich ein Mensch bin,
der das Rauchen nicht
ausstehen kann.