Wenn ich auf meinen Balkon hinausgehe, kommt einem natürlich Hitler in den Kopf, der Papst, der auch. Der Balkon als solches hat eine Geschichte aufzuweisen, die erst noch geschrieben werden müsste. Vielleicht hat es auch einer getan. Woher soll ich das wissen? Alle Bücher dieser Welt kann man nicht lesen, man kann sie höchstens verbrennen. Versucht wurde es. Mit dem Verbrennen kannte sich Hitler aus. Die Kirche ebenfalls. Despoten neigen eh zum Verbrennen.
Mein Balkon, der ist mein fliegender Teppich. Leider fliegt er im Standgas. Er ist mein Rettungsboot, das noch auf die Not wartet. Auf das Loch im Schiffsrumpf. Um ein Rettungsboot genießen zu können, muss man erst einmal untergehen.
Mein Balkon, der ist eine vorgeschobene Unterlippe. Eine ohne Oberlippe. Ein verstümmelter Mund, der keinem was sagt, obwohl er bestimmt etwas zu erzählen hätte.
Ich stehe dort droben und rauche. Rauchzeichen, die keine Nachricht senden, außer der meines eigenen Verschwindens. Ein Raucher raucht seine eigene Vergänglichkeit in die Luft hinaus. Der Rauch, das ist ein Aufschrei, dass alles sinnlos ist. Drum raucht der Raucher auch. Um sich und die Zeit und die Sinnlosigkeit des Daseins umzubringen.
Tag für Tag steige ich in mein Rettungsboot, auf meinen fliegenden Teppich, auf meine Unterlippe und blicke nach unten auf die Straße, auf der die Autos hin- und herfahren, auf der die Fußgänger hin- und herlaufen.
Von hier oben aus betrachtet, ist die Straße ein Fluss. Daher auch der Begriff Verkehrsfluss, der stocken kann, als hätte man zu viel Gelatine hineingeworfen.
Ich sitze auf meinem Balkon, meinem Felsvorsprung, und angle mit den Augen ein paar Gesichtszüge, den Ruf eines Kindes, das Quietschen von Fahrradbremsen. Rauche und angle, und kehre am Abend heim, mit einem Korb voller Gebärden und Geräusche, die ich genussvoll im Kopf verspeise. Der Mensch lebt ja nicht vom Brot allein.
Mein Balkon ist ein verlängerter Arm, ein Gedanke, der in die Breite geht, der aus dem Haus wächst. Ein Tumor ist er. Ein Geschwür.
Und weil man von seinen Krankheiten nicht genug bekommen kann, stehe ich auf ihm, auf meinem Schmerz, und rauche, in der Hoffnung, die Botschaft meines Rauchs eines Tages verstehen zu können.