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Mischmasch

Der Hirnökoaktivist

„Haben Sie die Mondfinsternis gesehen?“
„Da habe ich selig geschlafen.“
„Ein einmaliges Erlebnis.“
„Wenn Sie sich mal bei Facebook umsehen, kann das gar nicht so einmalig gewesen sein. Das ist ja das gute heute, dass man selbst nicht dabei sein muss, wenn etwas geschieht. Da sind ja all die anderen, die es fotografisch festhalten.“
„Aber dann erleben Sie doch alles nur aus zweiter Hand.“
„Second-Hand-Erinnerungen. Das schont die Gedächtnisumwelt. Muss sich ja nicht jeder sein Gedächtnis ständig mit frischen Erinnerungen füllen.“
„Sie sind also so einen Art Hirnökoaktivist, der sich gegen den Erinnerungsmüll, der heute produziert wird, auflehnt.“
„Das könnte man so sagen. Wenn jeder eigene Erinnerungen produziert, wird das Internet irgendwann mit all diesen Erinnerungen überlaufen. Man muss auch mal den Mut haben, sich mit Bildern anderer zu erinnern. Da ist man ausgeschlafen und hat das Kollektivgedächtnis entlastet.“
„Sie haben sich also aus dem Erinnerungsüberfluss zurückgezogen?“
„Ich lebe in der Beziehung völlig spartanisch. Ich nähre mich quasi vom Erinnerungsüberangebot meiner Umwelt. Seit Jahren werden eh viel zu viele Erinnerungsfotos produziert.“

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Mischmasch

Herr Rohm bekommt ein Autogramm von Thomas Mann

mann1

Bild: Werner Towara bei Amazon

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Mischmasch

Fadfinderlohn

fadfinder

Onkel Sascha öffnete die Tür. Ein Mädchen, das eine graue Jacke und Hose trug, sah ihn traurig an
„Na, wer bist du denn?“, fragte Onkel Sascha.
„Ich bin ein Fadfindermädchen.“
„Ach …“
„Ich finde, du wohnst echt fad. Fast schon hässlich, aber hauptsächlich fad. Ich habe das hier gefunden. Das gibt bestimmt eine Medaille.“
„Aha.“
Onkel Sascha war mehr als verwirrt. Er hatte von diesen Fadfindern gehört, aber nie geglaubt, dass es die wirklich gibt.

(Das Fadfindermädchen wurde von Johannes Esser gezeichnet.)

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Mischmasch

Reserviert

„Ich hatte einen Tisch für 2 reserviert.“
„Ja, kommen Sie bitte. Hier ist er.“
„Das ist aber ein Tisch für 4.“
„Wir haben nur noch 4er-Tische übrig.“
„Das ist aber nicht, was ich reserviert habe.“
„Sie brauchen keine Angst haben. Sie bleiben ungestört.“
„Da drüben ist ein 2er.“
„Da sitzen schon Herrschaften.“
„Ja, können die sich nicht umsetzen. Wenn sie die dort vom 2er und die von dem anderen 2er an einen 4er setzen, wären 2 2er-Tische übrig. Einer für uns. Plus einen, den sie gewonnen hätten.“
„Nein, das können wir jetzt nicht machen.“
„Nein, dann will ich nicht. Ein 4er-Tisch. Wie sieht das denn aus. Als ob wir keine Freunde hätten.“
„Niemand wird sich was dabei denken.“
„Das sagen sie. Und morgen spricht wieder die ganze Straße, wir seien versetzt worden. Wo das nicht mal stimmt.“
„An der Theke vielleicht?“
„Na, jetzt werden sie mal nicht frech. Wir sehen doch nicht wie Saufnasen aus.“
„Bei Platznot essen einige unserer Gäste an der Theke.“
„Nein, das ist nix für uns. Schönen Abend noch.“

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Mischmasch

Der Zeitungsleser

Beim Frisör.
„Wollen Sie eine Zeitung?“
„Nein, die lese ich nicht mehr. Das ist doch alles gelogen, was die schreiben.“
„Ach.“
„Nehmen Sie den Wetterbericht von gestern. Da hat nix gestimmt.“
„Das Wetter ist natürlich auch so eine Sache.“
„Die beeinflussen uns. Schreiben, dass die Sonne scheint, nur damit ich nachher ohne Schirm im Regen stehe.“
„Die Unbeständigkeit des Wetters.“
„Unsinn. Lügenpresse sag ich. Hier (tippt mit seinem Finger auf die Zeitung), das Horoskop. Gestern stand, dass ich -ich bin Jungfrau, da brauchen Sie jetzt nicht blöd lächeln – eine berufliche Veränderung erleben werde.“
„Und?“
„Es war langweilig wie immer. Ich sage, die lügen, und dahinter steht ein Plan, eine große Verschwörung aus Meteorologen, Presse und Astrologen.“
„Aber man liest doch nicht deshalb die Zeitung.“
„Stimmt, aber bei den Traueranzeigen findet man auch nie, was man sucht. Da stirbt keiner, von dem man sich das schon lange erhofft. Und wenn das Tag für Tag so geht, deprimiert es einen, die Traueranzeigen zu lesen, in denen nicht die auftauchen, die man dort finden will.“
„Aber die Weltpolitik.“
„Ich blättere die Zeitung von hinten durch, sodass die Politik am Ende kommt. Bis dahin komme ich eh meistens nicht.“

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Mischmasch

Der Aufzug

Im Aufzug.
„Haben Sie jetzt die 3 gedrückt?“
„Ja, schon.“
„Weil, ich muss in die 5.“
„Da liegt die 3 auf dem Weg.“
„Es ist nur, ich hab es eilig.“
„Jetzt habe ich aber schon gedrückt.“
„Kann man das denn nicht stornieren?“
„Jetzt machen Sie sich doch nicht lächerlich.“
Aufzug hält im 2. Stock.
„Jetzt hält der auch noch in der 2.“
„Da wird jemand gedrückt haben.“
Die Tür öffnet sich. Ein Frau mit Einkaufstaschen betritt den Aufzug.
„Haben Sie gedrückt?“
„Ja.“
„Weil, das hätte nicht sein müssen. Ich muss in die 5.“
Aufzug hält im 3. Stock.
„Ein schönen Tag noch.“
„Gehen Sie lieber, sonst kommen wir nie in die 5.“
„Ach, da fällt mir …“
Die Frau mit den Einkaufstaschen drückt die 4.
„Haben Sie jetzt die 4 gedrückt?“
„Ich muss noch mal zu den Spielwaren.“
„Ja, sind denn hier alle verrückt.“
„Entschuldigen Sie mal.“
Aufzug hält. Die Frau mit den Einkaufstaschen verlässt kopfschüttelnd den Aufzug. Ein Mann betritt den Fahrstuhl und will die 2 drücken.
„Halt! Ende! Jetzt wird in die 5 gefahren, verflucht noch eins.“