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Jobs (II)

Verlierer

Anton, 52 Jahre, Verlierer von Beruf: „Ah, nein, nein, nein. Machen Sie das nicht. Angefangen hat es bei mir mit meinem Onkel, der bereits mit 16 als Verlierer nach Paris ist. Und das, obwohl er die Sprache gar nicht konnte. „Nicht weiter schlimm, Anton“, hat er gesagt. „Beim Verlieren musst du nicht sprechen. Du bekommst z.B. eine linke Socke und die verlierst du dann. Kurze Arbeitszeiten. Besser geht es nicht.“ So wurde ich staatlich geprüfter Verlierer. Jahrelang verlor ich Kleinigkeiten, später stieg ich auf, verdingte mich an kriegstreibende Länder, zog ins Gebiet des Gegners, damit der seinen Krieg verlor. Ach, was ich nicht alles verloren habe: Wahlen, Gesichter, so viel. Aber glücklich, nein, glücklich bin ich nicht geworden.“

Hitler-Vergleich

Alfred, 62 Jahre, Hitler-Vergleich von Beruf: „Das ist doch scheiße. Das muss man doch mal so deutlich sagen dürfen. Lass mich, Eva Maria. Eva Maria ist meine Frau. Wo war ich? Beim Arbeitsamt. Diese Arschlöcher. Ist doch wahr! Die haben gesagt: Werden Sie Hitler-Vergleich. Den braucht man immer. Und was habe ich jetzt davon? Ich habe alle meine Freunde verloren. Auf der Straße, da spuckt man mich an, wenn mich erkennt. Nein, Hitler-Vergleich, das ist das Allerletzte. Hitler-Vergleich, pah, dann lieber arbeitslos.“

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Jobs

Anwohner

Heinz, 47 Jahre, Anwohner von Beruf: „Das muss doch auch jemand machen: Anwohnen. Das ist der Trend. Die Leute wollen keine neuen Möbel mehr, nein, die sollen angewohnt sein. Nicht verwohnt. Aber doch leicht angewohnt. Und das ist mein Job. Da komme ich ins Spiel. Ich ziehe von Möbelhaus zu Möbelhaus und wohne an. So nach dem Motto: Wer hat in meinem Bettchen geschlafen? Es gibt auch Privataufträge. Verrückte gibt es ja überall. Neulich engagierte mich einer, dessen Freundin ich anlieben sollte. Nicht lieben, nur anlieben. Nicht mit mir. Gibt ja Grenzen. Anbumsen, okay, aber anlieben, niemals.“

Nachfolger

Gert, 36 Jahre, Nachfolger von Beruf: „Heutzutage sind wir nicht mehr gern gesehen. Stalker nennen uns manche. Früher war das anders. Man hat uns geliebt. Jeder Chef wollte einen haben, wenn möglich sollte es der eigene Sohn sein. Wir waren überall. In der Politik, vor den Amtsgerichten. Geschiedene Frauen waren ganz verrückt nach uns. Wenn ich inzwischen erzähle, dass ich Nachfolger bin, betrachtet man mich mit diesem merkwürdigen Gesichtsausdruck. Jobs sind rar, da kann nicht jeder einen Nachfolger gebrauchen. Wirklich glücklich macht der Job nicht, auch wenn man ständig in Bewegung und daher fit wie ein Turnschuh ist. Ich habe auch schon als Nachfolger eines Nachfolgers gearbeitet. Klar hatte ich ein schlechtes Gewissen. Hätte auch mich treffen können. Die Zeiten werden einfach nicht besser.“

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Die kalten Finger des Herrn Tod

„Schreib dir das hinter die Ohren, Arkadi: Das Leben ist eine Faust voll Schnee. Wenn du denkst, du hast ihn sicher in deine Tasche gepackt, kommt der Sommer, du vergisst den Schnee, du unterhältst dich über die Tanzabende in Moskau, und ehe du dich versiehst, hast du den Schnee aus deinem Gedächtnis gestrichen, bis du eines Tages in deine Tasche greifst. Igitt, denkst du, das ist ja ganz feucht. Ist mir der Wodka ausgelaufen? Du engagierst eine Detektei, bis du dich an den Schnee erinnerst, den du vor drei, vier Wintern dort verstautest und der längst verdunstet sein müsste. Ja, aber warum ist er denn nicht verdunstet?, fragst du dich und philosophierst bei einer Flasche Wodka darüber, die du mit einer hässlichen Alten in einer Bretterbude trinkst, die wie das Haus deiner Eltern aussieht. Ja, so ist das Leben, mein Junge!“

Aus „Die kalten Finger des Herrn Tod“, Tagebücher des Dimitri Verscenko

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Immer schön schwool bleiben, Boyz!

Wenn es einer nicht geschafft hat, dann der 1970 geborene Hannes Weimacher. Unter diesem Namen kennt ihn aber niemand. Unter seinem Künstlernamen Silo Bushgido allerding auch nicht. In Kürze wird beim Berliner Plattenlabel ASSO BERLIN sein erstes Album „Staatsfeind Nr. 4711“ erscheinen. Die erste Single trägt den Titel „ANALyse ist geil“. Ich habe mich mit dem Einnahmetalent Silo, der wegen seiner heterofeindlichen Texte bereits mehrmals von CDU-Politikern angezeigt wurde, unterhalten.

G.R.: Du bist am Wannsee groß geworden. Eine sehr reiche Gegend. Wie hat dich das geprägt?

Silo: Das war hart, Mann, Brokkoli. Wir haben den ganzen Tag gechillt. Abends haben wir Heteros geklatscht, Wirsing.

G.R.: Du bist wegen deiner heteroverachtenden Texte umstritten. Auch wegen der extrem pazifistischen Aussagen. In deinem Song EIN MEGAKLEINES BISSCHEN PEACE, KAROTTE verlangst du, dass man Kriegstreiber zu Tode lieben soll. Harter Tobak.

Silo: Das geht in Ordnung. Waffenhändler und Söldner, alle ab in meinen Darkroom, damit ich sie, Blumenkohl, mit Liebe füllen kann.

"Immer schön schwool bleiben, Boyz!" Silo Bushgido
„Immer schön schwool bleiben, Boyz!“ Silo Bushgido

G.R.: Du leidest seit Jahren am Tourette-Sydrom. Dem sogenannten Gemüse-Tourette.

Silo: Unsinn, Erbse, Bohne, Fenchel.

G.R.: Bei der Echo-Verleihung 2012 hast du den Preis für das beste Video nicht bekommen. Wie gehst du mit diesem Misserfolg um?

Silo: Das ist, Paprika, völlig in Ordnung. Denn damals, Zucchini, habe ich noch gar keine Musik gemacht. Damals trampte ich professionell auf der A7. Ich kam in zwei Jahren keinen Meter weiter. Das hat mich geprägt. Ich wurde, Tomate, zu dem Hardcorehomo, der ich heute bin.

G.R.: Was hast du gegen Heteros?

Silo: Kohlrabi, das ist doch eklig. Männer, die eine Frau … Igitt! Ich kann und will mir das, Rotkohl, nicht vorstellen. Bereits in der Bibel gibt es nur Homos. Jesus und seine Jünger. Einsamkeit. Da ist viel passiert. Inzwischen schließen sich immer mehr Promis meiner Sicht an, wie z.B. Matthias Schaschlik, der für die ERDE schreibt. Er ist ja selbst ein bekannter Darkroombesucher. Denke, ich hatte, Grünkohl, meine Flinte schon in seinem Astloch.

G.R.: Du wirst regelmäßig von CDU-Politikern angezeigt?

Silo: CDU. Die werden es nie schaffen. Die vergreifen sich an reifen Frauen. Abschaum. Über solche Leute möchte ich nicht reden.

G.R.: Was erwartet uns mit deinem Album?

Silo: Viel Nächstenliebe und Homosex. Mehr nicht. Mehr gibt es nicht, Zwiebel.

G.R.: Danke für das Gespräch, Silo.

Silo: Gerne, Aubergine.

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Dimitri Reloaded

„Mein Verleger Irina ist vorgestern eingetroffen. Erschöpft sah er aus. Die Brüste standen weit in die Landschaft. Er habe seinen Verlag verkaufen müssen, erklärte er. „Verlasse deine Frau, Dimitri!“, forderte er mich auf. „Ich will fortan dein Weib sein.“ Der Gedanke reizte mich. Leider bin ich auf Arkadi angewiesen, dem der Vorschlag weniger reizvoll erschien. Um meine Flucht heimlich planen zu können, musste sich Arkadi die Augen verbinden. Er rempelte alle paar Meter etwas an. „Der Junge ist mein Esel. Sieh, was meine Frau getan hat! Die Füße hat sie mir amputiert.“ Einen Tag später war Irina fort. Durchgebrannt mit dem seit Jahren arbeitslosen Dorftürsteher. Die Welt ist eine Schlangengrube.“

„Jetzt, da Irina fort ist, spreche ich dem Wodka zu. Arkadi, der seiner acht Jahre wegen leider nicht trinkt, muss den Gang eines Betrunkenen imitieren, damit mein Kopf und sein Körper zu einer Einheit verschmelzen. Grölend liege ich auf seinem Rücken. Meine Hände hat er um seinen Hals geknotet. „Lass uns ein Lied singen“, bettelte ich Arkadi an, der mich eine Last nennt. Da er nicht dazu bereit war, begleitet uns seit einigen Tagen der Chor. Nadja verzweifelt an der Situation. Sie hat unsere Habseligkeiten auf einen Karren geladen und zieht mit mir um die wenigen Häuser des Dorfes. „Essen ist fertig“, tönt es manchmal direkt neben mir an der Theke oder der Tischkante eines Nachbarn. Sie sitzt und stopft und näht. „Du bist ja schon wieder betrunken, du Schwein!“, schimpft sie, wenn mich Arkadi des Morgens von seinem Hals bindet, um mich in den Karren plumpsen zu lassen. Dort liege ich und schlafe meinen Rausch aus. Unlängst erschien mir Gevatter Tod, der, ich bin mir sicher, hauptsächlich damit beschäftigt schien, Nadjas Hinterteil zu begutachten. „Gut, gut“, murmelte er unentwegt.“

„Gevatter Tod ist zu uns auf den Karren gezogen. Er stinkt fürchterlich. Weil er aber der Tod ist, wage ich nicht, ihn darauf anzusprechen. Er isst uns die letzten Vorräte weg und treibt es vor meinen Augen mit Nadja, die meint, der Sex mit ihm wäre zum Sterben gut. Sie peitscht ihn an, nicht nachzulassen. „Gemach, gemach“, keuchte der Gevatter, der mich auf die Seite zog und mir zuflüsterte: „Die ist ja unersättlich, du Glückspilz!“ Unersättlich? Der wird sich noch wundern. Bereits heute musste er allein in diesem Landstrich 5 000 Jenseitsfahrten streichen, weil er nicht zum Arbeiten kam. Ein paar Monate, Jahre vielleicht, und die Welt wird an der Überbevölkerung wie an einer Krankheit leiden. 6 oder 7 Milliarden Menschen, unvorstellbar, noch, aber hat sich der Gevatter erst den Fängen von Nadja überlassen … Gott im Himmel stehe uns bei!“

Aus „Die kalten Finger des Herrn Tod“, Tagebücher des Dimitri Verscenko

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Was machen Sie neben dem Schreiben, Herr Rohm? (2)

„Ich ziehe mit meinem Freund Herbärt durch die Gegend.“

bär

 

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Mischmasch

Was machen Sie neben dem Schreiben, Herr Rohm? (1)

„Ich baue Häuser!“

hobbit1

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Ins Tagebuch Mischmasch

Lesung beim „tatort fulda“

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Foto © FOTODESIGN Walter M. Rammler

„Wie krank muss man sein, um so etwas zu schreiben?“, empörte sich ein Zuhörer.

>>>>ZUM ARTIKEL IN DER „Fuldaer Zeitung“!

 

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Mischmasch

Gildo&Rohm

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Gourmets

„Am liebsten esse ich
die Gänsehaut“,
sagte Robert
und ließ sich einen
Oberschenkel reichen,
dessen Leichenstarre
den Verzehr
fast
unmöglich machte.

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Die kalten Finger des Herrn Tod

„Nadja kocht. Sie kocht vor Wut. Ich hätte sie abermals des Nachts nicht befriedigt. Um mich abzulenken, schlug ich unseren Sohn Arkadi. Sollten meine Tagebücher dereinst veröffentlich werden, bitte ich schon jetzt um Nachsicht. Dies waren Zeiten, in denen man Arkadi schlug. Nicht nur ich schlage ihn, sondern auch die gesamte Nachbarschaft, die, will sie sich abregen, bei uns anklopft, mit der Bitte, Arkadi schlagen zu dürfen. Der arme Junge. Er tut mir leid. Um mein schlechtes Gewissen zu beruhigen, trank ich Wodka. Der Alkohol ist die letzte Hilfe, die man sich holen kann, vor allem hier in der Einöde, in diesem Dorf, in dem Menschen leben, die von der Natur verroht wurden. Von Moskau vergessen, kam es erst gestern aus Langeweile zur Gründung eines Chors. Wie tief wollen wir denn noch sinken?“

„Meine Füße fühlten sich nach meinem Marsch durch den Wald klamm an. Nadja meinte, sie wären erfroren. Unsinn, erwiderte ich. Um mir das Gegenteil zu beweisen, hackte Nadja sie mir ab. Kein Blut. Nichts. „Haha, siehst du, Nadja, ich habe nicht einmal etwas gespürt.“ Anschließend trugen Nadja und Arkadi mich ins Bett. Die Stümpfe brannten sie vorsorglich aus. Schrieb während der Prozedur an meinem Roman weiter, den ich Ende des Monats an meinen Verleger Sergeij nach Moskau senden werde, der, so schrieb er mir in seinem letzten Brief, sich bei einer Sängerin die Syphilis geholt hat. Der Glückliche. Welch eine Auszeichnung, ist die Syphilis doch nur den wahrhaft großen Geistern unter uns vorbehalten.“

„Seit Nadjas Amputation friste ich ein Leben im Bett. Will ich draußen Holz holen, muss Arkadi mich tragen. Auf seinem Rücken ist es so gemütlich, dass ich inzwischen sogar nachts darauf schlafe. Beim Verkehr mit meiner Gattin stört er zwar etwas, aber ich lass mich da nicht irr machen. Um mich von meinem schweren Los abzulenken, nehme ich seit einigen Tagen an den Proben des Chors teil. Wir singen in Ermangelung von Noten und Texten keine Lieder, sondern ahmen das Heulen der Wölfe nach. Noch keine Post von meinem Verleger Sergeij, der sich, so wurde mir berichtet, einer Operation unterzog und fortan Irina gerufen werden will.“

Aus „Die kalten Finger des Herrn Tod“, Tagebücher des Dimitri Verscenko

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Ins Tagebuch

Aus meinem Tagebuch

Ich habe wieder den ganzen Tag schwere Sachen verladen. „Was machen denn die schweren Sachen hier?“, fragte ich meine Frau, die hilflos mit den Schultern zuckte. Nachher cremte ich mir den Ellenbogen ein, um keine Entzündung zu bekommen. Vorsorglich. Ich creme ja seit Jahren. Alle Stellen an meinem Körper werden mit den verschiedensten köstlichen Ölen behandelt. Jetzt werde ich mir die Zähne putzen, ausführlich. Zähne sind nicht zu unterschätzen. Nachher Theater mit den Nachbarn.

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Die Motterplage

Ein Traum

Träumte in dieser Nacht davon, mich in eine riesige Reisetasche mit Heimatgefühlen verwandelt zu haben. Gepackt stand ich im Flur, darauf wartend, dass man mich abermals aus dem Schoß derer riss, die mich so sorgsam ein- und auspackten, um von strenger Hand zum Flughafen getragen zu werden. Ich hätte, wäre ich dazu in der Lage gewesen, gezittert, überließ dies aber dem Espenlaub, dem man sich seit der Niederschlagung seines Stammes so sorgsam widmet. Espenlaub müsste man sein, dachte ich. Dann müsste man wenigstens nicht ständig verreisen. Das Espenlaub, getrocknet zwischen den Seiten eines Onlinelexikons, wird überhaupt auf eine nahezu krankhafte Art bemuttert, indem man es z.B. mit Reis zu füttern versucht, den es bisher verweigerte. Das hat man davon, wenn man sich mit Espenlaub einlässt, dachte ich, der, gerade wollte ich mich als Reistasche anbieten, vom Wecker getötet wurde.

bett

Dies ist mein Bett, auf dem ich liege und zärtlich träume

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Große Sätze der Weltliteratur (II)

„Hans Castorp kratzte sich den Schorf von der Stirn und fragte sich, wo der ganze Schnee herkam, aber nicht lange, weil der Schorf runter musste, der ganze natürlich, und dies machte er so lange, bis man kaum noch unterscheiden konnte, was Schorf und was Schnee war. “ Thomas Mann, Der Zauberberg

„Der Don verlangte von Sancho „Hackebeil“ Panza, dass er ihm die Arme der Windmühlen brachte, fein säuberlich auf einem überdimensionalen Tablett.“ Miguel de Cervantes, Don Quijote