Abendgedanke: Jetzt kommen wieder die trüben Tage. Mit denen ist nicht gut Kirschen essen. Mit denen komme ich gar nicht aus. So Tage sind nichts für mich. Die können mir gestohlen bleiben. Die kann einer mitnehmen, der sie brauchen kann. Ein Dunkeltagliebhaber vielleicht. Einer, der sich gerne durch die Dunkelheit schleicht. Wintertage sind die Sommertage der Einbrecher. Die sind für sie wie gemacht. Die passen ihnen, wie ihre Strumpfhosen über den Köpfen. Aber nicht mir. Und in Strumpfhosen bekomme ich eh Atemnot. Ich will Helligkeit und lichtdurchflutete Tage. Ich will im Sonnenschein ersaufen, auch wenn ich ihn mehr aus der Ferne betrachte, aus dem Schatten heraus. Das sollte man mir nicht vorwerfen. Ich brauche mein Innen, um das Außen genießen zu können.
Monat: September 2013
Montag II
Der Kühlschrank ist defekt. Und jetzt? Wohin mit all meinen An- und Aufzügen, meinen Hüten, Hütten, Schuhen? Unterbrach eigens die Arbeit an meiner „Hymne an einen Eispickel“, um mich der Aufwischarbeiten betrachtend anzunehmen. Wie sie putzten, die Putzer. Formidabel. Feuerte sie mit einem kleinen Brand an, den wir anschließend nicht in den Griff bekamen. Zu heiß. Auch für den Hund. Hot Dog. Dachte an Bradbury und seinen Feuerwehrmann Montag. Wie passend.
Um mich zu beruhigen, notierte ich Zahlen, ganze Kolonnen von ihnen, die sich Richtung Grenze vorarbeiteten. Sie dürften gegen Abend ankommen.
Das Problem mit dem Kühlschrank konnte nicht gelöst werden. Getaute Jacken kann ich nicht tragen. Sie nässen. Man fühlt sich klamm, am Ende beklommen. Wir räumten das Geld aus der Kühltruhe, um sie dort zu verstauen. Vorerst.
Indes ist der Winter eingebrochen. Keine nennenswerte Verluste. Eine Halskette. Vielleicht. Hocke in einem Bärenfell am Rechner und tippe meine Tagebuchaufzeichnungen. Nachweltversorgungsengpässe sind tunlichst zu vermeiden. In der Küche Frau und Kind, die damit beschäftigt sind, Salatblätter zu lesen. Die Langeweile in den Gesichtern kündet von einer lahmen Story. Der ganz normale Wahnsinn im Hause Rohm.
Guten Abend, Welt!
Montag
Montag. Das ist doch kein Tag. Das hat schon meine Mutter gesagt. Am Montag bleibt man besser liegen, hat sie gesagt. Montags sterben die Leut‘. Besser, man bleibt zu Hause. Gesegnet sind die, die einen Luftschutzbunker besitzen. In den sollte man sich zurückziehen. Luft anhalten und abwarten, bis der Montag vorbei ist. Obwohl … Es gibt Stimmen, die behaupten, der Montag würde erst mit dem Tod vergehen. Und andere sagen, er würde ewig andauern. Der Montag wäre alles. Gott habe den Montag geschaffen, sagen sie, und als er sah, dass bereits der Montag so misslungen sei, habe er aufgehört mit den Wochentagen. Er habe sich auch in einen Luftschutzbunker gesetzt und darauf gehofft, dass es kein Montag mehr ist.
Die restlichen Wochentage, die wären eine Erfindung des Teufels. Ebenso die Arbeitgeber. Die hätten einen Pakt geschlossen, erst zu ruhen, bis der letzte Fluss vertrocknet sei. Und Samstag und Sonntag? Die seien eine Illusion. (Ach, wie ich sie liebe, die Illusionen.) Ich solle einen Buddhisten befragen, sagte Mama. Der könne mir das schon bestätigen. Der werde wissen, dass es alles ein Trug ist, dass es nur den Montag gäbe. Der Montag, den gälte es zu überwinden. Ihn müsse man überlisten. Man müsse ihn an der Nase herumführen, bis er begreife, dass es keinen anderen Wochentag außer ihm gibt. Dann bekäme er Angst, so die Mama, und er würde sich zum Sterben hinlegen. So wie die Indianer es tun. Erst an diesem Tag würde der Kreislauf durchbrochen, und alles würde sich in Wohlgefallen beziehungsweise in Nichts auflösen. Ob ich das will? Zuviel Wohlgefallen könnte mir die Lebenssuppe gehörig versalzen.
Montag. Ein letztes Mysterium, das bleibt.
Fernsehen. Das ist doch eine tolle Sache. Du schaltest ihn an und im nächsten Moment springt dir einer ins Gesicht, mitten hinein, sodass du kaum eine Chance hast, ihm auszuweichen. Mitten in deinem Gesicht hängt er nun herum, er baumelt von der Nase wie ein Rotzfaden und wartet darauf, dass du ihn wegwischt. Das kann der amerikanische Präsident sein, und wenn man keine Fernseherfahrung hat, klar, dann ziert man sich, den einfach so mit einem Taschentuch von seiner Nase zu putzen. Die Achtung muss man sich ersparen, muss sie alle – Tuch für Tuch – entsorgen, sonst sieht das Gesicht am Ende wie eine Pinnwand für Prominente aus. Alle hängen sie herum und baumeln und quaken und halten Reden, dass man sein eigenes Wort nicht mehr versteht. Geister, die man rief und nicht mehr los wird, weil sie verlangen, mit einem leben zu wollen. Die Wohnung ist zu klein. Am besten also, wenn man den größten Teil des Bildschirms abdeckt, sodass nur kleine Dosen Unmenschlichkeit entfliehen können.
Wie finde ich einen Verlag? Nichts leichter als das.
Bedecken Sie mit den Händen einer Freundin oder eines Freundes Ihre Augen und zählen Sie bis 1500. Fertig? Prima! Nun begeben Sie sich auf die Suche. Denken Sie daran, ein Verlag könnte sich überall befinden. Unter dem Tisch. Hinter dem Sofa. Schon im Ofen nachgesehen? Nicht? Dann aber flott. Und? Wieder keinen Erfolg gehabt?
Geben Sie nicht auf. Es ist noch kein Verlag vom Himmel gefallen. Sie können den Verlag auffordern: „Verlag, pieps einmal!“ Genau hinhören. Aha! Es wird wärmer. Schritt für Schritt nähern Sie sich Ihrem ersten großen Vertrag.
Und ja, da ist er, der Verlag Ihrer Träume. Braungebrannt steht er vor Ihnen. Ein tolles Versteck hat er sich ausgesucht. Ausgerechnet im Bücherregal. Wie er dort nur reinkam? Fragen über Fragen, die Sie bei einem gemeinsamen Abendessen klären können. Seine Augen, hm, lecker, da wird Ihnen ganz anders. Ein paar Gläser Wein und ab geht es ins Bett.
Ja, liebe zukünftige AutorInnen, so leicht ist es, einen Verlag zu finden.
Und morgen lernen wir, wie Sie mir Geld für diese Tipps überweisen können.
Als Kind habe ich bereits gewusst, dass es sinnlos ist, erwachsen zu werden, weil man den Unterblick aus der Tiefe verliert.
Und jetzt rutsche ich ständig auf den Knien umher, um zu erfahren, was dort unten geschieht. Eine ganze Menge.
Auf Tischkantenhöhe bekommt man einen Blick für die Besonderheiten von Ketchup-Flaschen, die sich wie Türme in die Höhe schrauben. An den Turmspitzen Blut. Angst bekommt man vor der Größe der Welt, eine Angst, die man sich bewahren muss, will man den Mut finden, sie beizeiten anzugreifen.
Will man ein Tischterrorist werden, heißt es, sich die Straßen und Wege zwischen den einzelnen Tellern und Töpfen einzuprägen, damit man gezielt entkommen kann. Flucht war schon immer eine gute Möglichkeit, vorwärts zu kommen.
Sonntag
Es laufen Vorbereitungen, deren Ziel im nächsten Jahr liegt. Projekte sind zu planen, die mich in den verschiedensten Rollen zeigen werden. Ich weiß nicht, ob ich tatsächlich zum Schauspieler geboren bin, auch wenn mich der Mime David Hasselhoff (Name geändert) unterstützt, indem er mit mir gemeinsam übt, so etwa, wie ich einen Besoffenen geben muss, der versucht, die Betonung liegt auf versucht, einen Hamburger zu verspeisen, ist dies doch bereits ein Kunststück, ist man nüchtern.
Die Kinder aus meinen letzten siebzehn Ehen sind zu Besuch, nicht nur zu Besuch, sollen sie sich doch bei mir heimisch fühlen. Hin und wieder, man ist schließlich auch Vater, lasse ich ihnen einen Lächeln zufallen. Sie nehmen sich meiner emotionalen Ausbrüche gierig an, fassen mit ihren Augen nach mir, der sich unaufhörlich auf das Produzieren von Weltliteratur konzentrieren muss.
Der erste Kaffee des Tages soll mir dabei helfen, dem Schlafstand zu entwachsen, jenem Zustand, der mich in den Gefilden der Träume gefangen hält. Das Alter macht mich nicht nur milder, sondern auch schläfriger. Nacht für Nacht segele ich auf den Gewässern des Unterbewusstseins, mehr und mehr Freude daran findend, sodass ich zu einem Reisenden werde, der sich eine Welt ohne die Häfen der Realität vorstellen mag.
Neuste Forschungen haben ergeben, dass wir vermutlich alle schlafen müssen. Mir scheint das reinster Irrsinn zu sein, würde doch die Welt in sich zusammenbrechen, würden tatsächlich alle der Gewohnheit Schlaf anhängen. Schlaf ist ein Hobby, eine Leidenschaft, von denen in Anspruch genommen, die mit der spröden Realität so wenig anzufangen wissen, dass sie auf die Ozeane ihrer Träume treiben müssen, wollen sie nicht verrückt werden.
Soeben ist einer meiner Söhne durch das Zimmer gewackelt, die Augen verquollen vom nächtlichen Gelage des Schlummerns. Schlafen liegt dieser Familie. Wir alle sind großer Schläfer gewesen. Bereits mein Vater, der es bis zum Titel des Großschläfers brachte, verschlief große Teile seines Lebens, so seine Hochzeit, meine Geburt – am Ende verschlief er gar sein eigenes Ableben, sodass er sich noch heute nicht sicher sein wird, ob er tatsächlich tot ist oder nicht. Der arme Mann.
Vor Schlaf sei ausdrücklich gewarnt, ist er doch den Kühnen vorbehalten, die über jene Nervenstränge verfügen, die nötig sind, will man eine ganze Nacht durchschlafen. Genug. Nicht, dass Sie mir noch einschlafen.
Guten Morgen, Welt!
Samstag III
Abendgedanke: Wie ich auf meinem Balkon sitze und die Sonne mir ihre Strahlen ins Gesicht spritzt, sodass ich meine Augen schließe, muss ich an den Tod denken, der laut Aussagen Auferstandener mit einem ähnlichen Licht aufwarten soll. Heißt das jetzt, dass man seinen Tod auf einem Balkon verbringt? Schrecklich und schön zugleich wäre das. Nichts würde sich ändern. Und das habe ich nun wirklich nicht gewollt. Wenn man stirbt, will man doch eine Abwechslung vom Leben haben. Sonst bringt das ganze Totsein nix. Da kann man ja gleich am Leben bleiben.
Mein letzter Fall hatte, wie Sie wissen, hohe Wellen geschlagen. Ich war vom Polizeipräsidenten höchstpersönlich suspendiert worden.
Ich saß gerade bei einem gemütlichen Whiskey in meinem Büro, als der Präsident hereinstürmte. Er machte mir wegen der zahllosen Toten Vorhaltungen, die ich ignorierte, indem ich die Morgenzeitung durchblätterte. Wieder mal nur Unsinn, den niemand interessierte. Man hatte im Osten der Stadt eine Bushaltestelle eingeweiht. Der Bürgermeister und noch einige andere Politiker lachten dumm in die Kamera. Schließlich, man hat ja eine gewisse Kinderstube aufzuweisen, hob ich doch meinen Kopf und drehte die Augen in Richtung des Polizeipräsidenten, der so fett war, dass er bereits sein ganzes Hemd durchgeschwitzt hatte. Es war widerlich. Ich mochte gar nicht hinsehen, konnte meinen Blick aber auch nicht schweifen lassen, weil das ein gewisses Desinteresse zum Ausdruck gebracht hätte.
„Das wird nichts mehr mit ihnen, Hesse!“, sagte er gerade.
„Ja“, sagte ich. „Guter Einwand. Das sagt meine Frau auch ständig.“
Der Polizeipräsident, dessen Name ich vergessen hatte, lief aufgeregt auf und ab. Ich hätte ihn zu gerne nach seinem Namen gefragt, unterließ es aber. Es hätte den wild gestikulierenden Mann weiter unnötig aufgebracht. Um ihm zu zeigen, dass ich seine Worte ernst nahm, stellte ich mein Whiskeyglas zur Seite.
Alkohol wird im Dienst nicht gern gesehen, auch wenn es Teil des allgemeinen Dienstgebarens ist, den einen oder anderen Schluck zu trinken. Bei uns, das wissen eigentlich alle, außer der Öffentlichkeit, trinkt jeder. Selbst die Putzfrauen trinken. Ich habe die norddeutsch aussehenden Frauen, die aus Süddeutschland stammen sollen, schon öfter beim gemütlichen Cocktailplausch erwischt.
„Na, na, meine Damen“, sagte ich dann zu ihnen, „Sie werden doch nicht alleine trinken wollen!“
Eilig mischten sie mir einen Sex on the beach oder Harlem Hot Sex.
Gute Frauen, die es im Hygienegewerbe noch weit bringen werden. Ich ließ ihnen extra einen Teil der Küche mit unseren Tatortbändern absperren, den wir anschließend mit kleinen bunten Schirmchen schmückten.
Die Einweihungsfete unserer kleinen Cocktailbar zog sich bis in die frühen Morgenstunden hin.
Ich musste gerade daran denken, als mich die harschen Worte des Polizeipräsidenten in die Wirklichkeit zurückholten. Er führte eben aus, dass er mich nicht länger halten könne. Es sei an der Zeit, dass ich mich in eine Art Zwangsurlaub verabschiede.
„Sie sind suspendiert“, keuchte er.
Ich machte mir Sorgen um den guten Mann. Er aß im Übermaß, trank aber viel zu wenig. Ob ich ihm doch einen Whiskey anbieten sollte?
Lieder nicht! Wer weiß, wie er mein laxes Verhalten aufnahm. Ich konnte nicht noch mehr Zornesröte in seinem Gesicht riskieren. Am Ende fiel er noch ausgerechnet in meinem Büro tot um. Und dann? Man würde mir den Herzinfarkt zur Last legen. Die Presse würde sich auf mich stürzen. Man würde meine unmittelbare Suspendierung einfordern. Ich wäre im Arsch! Dabei hatte ich genug Ärger. Auch waren noch nicht alle Fälle der letzten Woche gelöst, so etwa der „Fall des toten Leichnams“ oder „Der Fall der trüben Tasse“. Nein! Die Gerechtigkeit brauchte mich. Ich durfte sie auf keinen Fall im Stich lassen.
Ich schreckte mich mit einer plötzlich in den Raum geschleuderten Frage aus meinen Gedanken auf: „Was haben sie gesagt?“
Da war es. Die Röte! Der Polizeipräsident stampfte wie ein wild gewordenes Kind auf und verlangte, dass man mich aus meinem Stuhl entfernte.
„Sie meinen …?“, fragte ich.
„Ich meine, dass wir Sie uns nicht länger leisten können, Hesse!“
Ha! Da war es wieder. Mein Name. Aber wie hieß er? Ich müsste es mit einem Trick versuchen.
„Sie wollen damit also sagen, Herr …“
Jetzt musste er mit seinem Namen rausrücken. Es bleib ihm gar nichts anderes übrig. Ich hatte ihn an der Angel. Da, er zappelte bereits. Oder war das der befürchtete Herzinfarkt? Was sollte ich tun? Ich zögerte. Noch wollte ich keine Hilfe holen! Man würde wieder alles mir in die Schuhe schieben.
Als ausgebildeter Polizist tat ich das, was man mir beigebracht hatte. Ich blickte mich mehrmals um und verließ den Tatort, um später, wenn alles vorbei war, zurückzukehren, um Zeugen zu befragen, die etwas gesehen haben könnten.
Der Mann, dessen Namen ich nicht kannte, lag wie erstarrt zu meinen Füßen.
„Hesse“, blubberte es aus seinem Mund.
Ich würde seinen Namen schon noch erfahren. Spätestens aus der Todesanzeige in der Zeitung.
Samstag II
Ich soll ernst werden, ernster, das in jedem Fall, redet mir eine Stimme ein, die, als eine von vielen, in meinem Innen tobt. Ich höre ihr zu, auch wenn ich so tue, als überhöre ich sie.
Darauf kommt es doch an. Sich gehörig überhören zu können, sonst fällt man noch auf sich rein. Und dann? Am Ende wird man zu dem, der man ist. Die große Tragik des Lebens hätte sich erfüllt. Da bin ich lieber ein anderer. Einer, der keiner ist, der mir bekannt vorkommt. Sonst wird es rasch langweilig, wenn man sich erst mit seinesgleichen einlässt. Da kommt man unter die Räder. Verliert sich im Drogensumpf.
Ich, so viel steht fest, werde mich nicht mit mir einlassen, sonst gehe ich mir noch auf den Leim, und komme nimmer von mir los. Dann lieber neben mir sitzen und ein Gespräch führen, um sich dabei, durch geschickte Fragerei, kennenzulernen. Man kann ja ein Freund von sich werden. Und sich gelegentlich treffen. In der Stadt. Auf einen Kaffee. Aber wie bei allen großen Freundschaften, wird sie nur Bestand haben, wenn man sich wieder trennt, um sich auf sich freuen zu können.
Näher will ich mir nicht kommen. Gott bewahre.
Lesereise des Grauens
Wie entwickelt man die Idee für einen erfolgreichen Roman? Eine scheinbar schwierige Frage, die leicht zu beantworten ist.
Ideen wurden früher in sogenannten Dunkelkammern, heute Darkrooms genannt, entwickelt.
Im Darkroom ist es, wie der Namen schon sagt, absolut dark. Nichts ist zu sehen, bis man plötzlich eine Idee fühlt, die sich stangenartig zwischen die geballte Faust zwängt. Nun heißt es, rubbeln, rubbeln, rubbeln, bis der Arzt kommt. Konnte die Idee auf die Art nicht gemolken werden, kann man sie selbstverständlich auch in den Mund nehmen. Der Blow-Job ist längst eine anerkannte Herangehensweise im Ideenentwicklungsgeschäft. Lutschend wird man die Idee, läuft es wie geplant, in den Hals gespritzt bekommen, damit sie von dort tief in den Magen eindringen kann, um sich zu entfalten.
Eine andere Methode, eine Idee zu entwickeln, ist es, sich einen Ideenknäuel in einem der zahlreichen Ideenläden, die es allerorten gibt, zu besorgen. Zuhause kann man die Idee entwickeln, um sie zu einem Roman zu stricken, der die kühlsten Herzen wärmen wird.
Das war es schon. Eine Idee kann also jeder entwickeln.
Und morgen lernen wir, wie man an einen Verlag kommt.
Samstag
Kopfschmerzen malträtieren meinen übergroßen Kopf. Bis heute gibt er der Hirnforschung Rätsel auf.
Der Rockstar, den ich mir eingeladen hatte, ahnungslos, um welch krankhafte Person es sich dabei handelt, ist fort. Entschwunden, lachend, mit seinem Tross aus Bodyguards und Groupies, mit denen er am gestrigen Abend bei uns eingefallen war. Pete. S. Wolfsson. Ich zittere, denke ich an seinen Namen, der fortan als Menetekel an der Wand meines Innenlebens prangen wird.
Meine Frau Veronika (Name geändert) liegt seit Stunden auf ihren wunderschönen Knien und übt sich in der Gebetshaltung der Putzenden.
Wolfsson ist kein Mensch, er ist ein Tier. Goldkettenbehängt, mit seiner Lieblingsgitarre in der linken Hand, die er Kurt-Manuel (Name geändert) nannte, stolzierte er an mir vorüber, mir den Kopf dabei tätschelnd und dem Satzauswurf: „Du bischt also der Audor!“ Hatte ich da einen schwäbischen Einschlag gehört?
Wir kamen erst gar nichts ins Gespräch. Meine Hand umspielte den Damenrevolver, den ich meiner Hosentasche trug. Sollte ich ihn ziehen? Ich unterließ es, als ich seiner Bodyguards ansichtig wurde, die alle Ex-Sträflinge seien, erklärte mir „die Stimme Wolffssons“. „Die Stimme“ war eine junge Frau, die ihm, wie sie mir in seinem Aufrag erklärte, die anstrengende Konversationsarbeit abnehme. Wollfsson selbst setzte sich an unseren Wohnzimmertisch, um dort mit einem Geldschein als Lupe weißes Pulver zu begutachten.
„Die Stimme Wolfssons“ erklärte mir, dass der Meister ein „kleines“ Problem habe. Andere würden es vielleicht Sucht nennen, aber man unterlasse das Wort, würde es der Situation doch nicht gerecht werden. Wolfsson, so die „Stimme Wolffssons“ sei ein krankhafter Voyeur. Und tatsächlich, kaum hatte sie es ausgesprochen, sprang er an unser Fenster und sah hinaus, dabei seine Hand zwischen den Hosenbund zwängend, um, wie sich die „Stimme“ ausdrückte, „gleich Hand anzulegen“.
Ein „Nein“ entfuhr mir. Wolfsson hielt inne.
„Oh, oh“, sagte „die Stimme“.
Und was dann folgte, kann nur mit den besten Hotelzimmerauftritten von Rockbands wie THE COWS OF VIOLENCE oder STABHOCHSPRUNG verglichen werden.
Wolfsson, unterstützt von seinen Schergen des Satans, seinen willigen Helfern aus South-Central, zerstörte alles, was mir lieb und teuer ist, so meinen Achenbach-Fernseher von Mercedes, den er nach unten trug, um ihn aus dem Erdgeschoss auf den asphaltierten Gehweg zu werfen. Sie mussten ihn insgesamt dreimal katapultieren, bis er schließlich irreparable Schäden aufwies. Diese kranken Hirne. Sein Hass, der sich auf mich und meine ihn unterbrechende Aussage richtete, kannte keine Grenzen. Sie verhöhnten meine Bücher, hielten ihn vor, Kinder eines Schwachsinnigen zu sein, drohten ihnen, sie ins Waisenhaus eines Romans von Dickens zu sperren. Die ganze Bibliothek zitterte wie Espenlaub.
Und ehe ich mich versah, hatte der Spuk ein Ende gefunden. Gott sei es gedankt! Wollfsson, seine „Stimme“, seine Schläger und seines sexbesessenen Groupies düsten neuen Zielen entgegen, neuen ahnungslosen Facebook-Bekanntschaften, die noch nicht ahnten, welch Orkan sich auf sie zubewegte.
Guten Morgen, Welt!