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Die Liebe in den Zeiten des Kommunismus

Montag

Montag. Das ist doch kein Tag. Das hat schon meine Mutter gesagt. Am Montag bleibt man besser liegen, hat sie gesagt. Montags sterben die Leut‘. Besser, man bleibt zu Hause. Gesegnet sind die, die einen Luftschutzbunker besitzen. In den sollte man sich zurückziehen. Luft anhalten und abwarten, bis der Montag vorbei ist. Obwohl … Es gibt Stimmen, die behaupten, der Montag würde erst mit dem Tod vergehen. Und andere sagen, er würde ewig andauern. Der Montag wäre alles. Gott habe den Montag geschaffen, sagen sie, und als er sah, dass bereits der Montag so misslungen sei, habe er aufgehört mit den Wochentagen. Er habe sich auch in einen Luftschutzbunker gesetzt und darauf gehofft, dass es kein Montag mehr ist.

Die restlichen Wochentage, die wären eine Erfindung des Teufels. Ebenso die Arbeitgeber. Die hätten einen Pakt geschlossen, erst zu ruhen, bis der letzte Fluss vertrocknet sei. Und Samstag und Sonntag? Die seien eine Illusion. (Ach, wie ich sie liebe, die Illusionen.) Ich solle einen Buddhisten befragen, sagte Mama. Der könne mir das schon bestätigen. Der werde wissen, dass es alles ein Trug ist, dass es nur den Montag gäbe. Der Montag, den gälte es zu überwinden. Ihn müsse man überlisten. Man müsse ihn an der Nase herumführen, bis er begreife, dass es keinen anderen Wochentag außer ihm gibt. Dann bekäme er Angst, so die Mama, und er würde sich zum Sterben hinlegen. So wie die Indianer es tun. Erst an diesem Tag würde der Kreislauf durchbrochen, und alles würde sich in Wohlgefallen beziehungsweise in Nichts auflösen. Ob ich das will? Zuviel Wohlgefallen könnte mir die Lebenssuppe gehörig versalzen.

Montag. Ein letztes Mysterium, das bleibt.

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Der Autor, den sie Horse nannten

Der Vampir

Der Wähler lebt von Wahl zu Wahl. So wie ein Vampir. Er entsteigt am Wahltag seinem Sarg, um sein Kreuz zu machen. Eine nahezu religiöser Akt. Er trägt sein Kreuz selbst, um sich auf dem Wahlzettel zu kreuzigen. Da steht es dann, und der Wähler schweigt. Er ruft nicht einmal: „Vater, warum hast du mich verlassen?“ Er schleppt seinen von der Mühsal des Lebens beladenen Körper in die Wohnungsgruft zurück, um darin weiter umzukommen. Das ist seine Bestimmung, die er sich auferlegt hat.

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Der Autor, den sie Horse nannten

Sonntag II

Ein typischer Sonntag. Ich war früh aufgestanden. Der übliche Dauerlauf, der mich um das Wasserwerk führte. Fünfzig Runden, bis ich nicht mehr konnte. Die Sonne hatte sich aus dem Staub gemacht. Regen fiel.

Ich kehrte nach Hause zurück. Meine Frau erwartete mich in Strapsen. Wir sprangen sofort ins Bett und taten es. Ich liebe es, wenn sie sich mit mir alte Folgen des TRAUMSCHIFFS in Dessous ansieht.

Wie wir da lagen, gebannt, gespannt, erinnerte ich mich daran, wie wir uns vor vielen Jahren in einem Flugzeug kennengelernt hatten. Sie hatte damals als Pilotin gearbeitet. Während des Flugs nach Nairobi hatte sich unentwegt zu mir umgedreht und mir zugeblinzelt, bis sie sich nicht mehr bremsen konnte und sich abschnallte. Sie übergab das Flugzeug ihrem Co-Piloten und setzte sich neben mich auf den Boden. Zum Glück saß ich direkt am Gang.

Gott, wie wir lachten. Die anderen schüttelten die Köpfe und hielten uns für verrückt. Ich kraulte ihre Kopfhaut, während der Co-Pilot sich verflog. „Ich muss dann mal wieder“, sagte sie.

Und jetzt sind wir bereits seit siebzehn Stunden verheiratet. Unglaublich!

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Motorsäge des Schicksals

Sonntag

Die Sonntage habe ich als Kind genossen. Es gab nicht viele davon. Das kam durch den letzten Krieg. Da sind die meisten Sonntage weggebombt worden. Hitler hatte etwas gegen Sonntage. Mit Himmler war es noch schlimmer. Wenn einer in seiner Nähe das Wort aussprach, schwoll sein Kopf. Die Sonntage sollten am Ende alle vernichtet werden.

So kam es, dass es nach dem Krieg kaum noch welche gab. Sie wurden auf dem Schwarzmarkt gehandelt. Manche tauschten ihren Montag für einen Sonntag. Andere ihre Schwiegermutter. Die gab es im Überfluss. Wohin man sah, war gerade eine Schwiegermutter unterwegs. Sie liefen über die Felder, durch die Wälder und Nebenstraßen. Sie hängten sich an jeden Mann, den sie finden konnten. Schwiegersöhne waren in der Unterzahl. Die meisten waren an der Ostfront gefallen. Die wenigen, die später noch auftauchten, ließen sich verleumden. Sie seien keine Nazis, keine Männer, keiner Schwiegersöhne.

Die ersten Werke entstanden, in denen alles hergestellt wurde, was kaputtgegangen war. Die Leute arbeiteten von früh bis spät. Zwischendurch aßen sie und bewunderten die Dinge, die sich inzwischen von selbst herstellten. Das Wirtschaftswunder. Sie rissen die Arme zum Himmel und priesen den lieben Gott, der wieder aufgetaucht war. Er hatte sich für die Zeit des Dritten Reichs eine Auszeit gegönnt. Alle schrien sie: „Ein Wirtschaftswunder!“

Ihre Bäuche wuchsen, sodass sie sich bald nicht mehr bewegen konnten. Wir könnten einen Sonntag gebrauchen. Ein anderer sagte: „Ein Sonntag? Wir brauchen eine Woche voller Sonntage!“ Aber woher nehmen, wenn nicht stehlen. Krieg hatte man gerade erst geführt. Man könnte England überfallen, um sich deren Sonntag zu stehlen. Die Irokesen. Hatten die nicht einen? Es gab die Vermutung, die hätten gar keinen. Nie gehabt. Barbaren eben.

Die Deutschen suchten überall. Irgendwo musste doch noch ein Sonntag sein. Sie fanden schließlich einen im Fundbüro. Jemand hatte ihn dort abgegeben. Der hätte im Bus gelegen, ganz allein, hatte der Finder erklärt. Es seien noch alle Stunden drin. Sie paarten den Sonntag mit sich selbst, und bereits am nächsten Sonntag schlüpften die ersten Sonntage, die man erst in die Sonntagsschule schickte, später in die Sonntagsausbildung. Nachdem sie groß genug waren, wurden sie in den Kaufhäusern, die überall aus dem Boden schossen, verkauft. Die Leute stürmten in die Kaufhäuser und griffen sich einen Sonntag, sodass nach kurzer Zeit jeder einen hatte. Manche besaßen sogar drei oder vier. Andere züchteten sie selbst in ihrem Keller und belieferten Länder wie Dänemark, in denen der Sonntag verboten war. So entstanden in Dänemark die ersten Flüsterkneipen. Illegale Orte, an denen man sich dem Sonntag hingab. Die Mafia wurde reich dadurch. Sie liebten Länder, in denen etwas verboten war. War es verboten, wurde es von ihnen angeboten. Sie fuhren mit ihren nicht existierenden Lastern durch die Gegend und verkauften das, was es nicht gab. So entstand die moderne Form des Kapitalismus. Heute machen das alle Banken so.

In Deutschland aber gab es ihn wieder: den Sonntag. Er stand schon bald an jeder Straßenecke und bot sich an. Er sprach einen an, ob man nicht Lust hätte, mitzukommen. Häuser entstanden, in denen die Sonntage anschaffen gingen. Osteuropäische Sonntage wurde unter Androhung von Gewalt dazu gezwungen, hier ihre Stunden malträtieren zu lassen. Junge Sonntage, die das nicht wollten. Und warum war das alles so gekommen? Hitler, Himmler, das Dritter Reich. Wie immer. Sie hatten die Welt nicht nur schlecht gemacht, sie hatten auch noch dafür gesorgt, dass es so blieb.

Heute haben nicht alle ihren Sonntag. Der Kapitalismus hat ihn vielen fortgenommen. Er ist ein grobschlächtiger Kerl. Wenn man ihn sieht, sollte man einen weiten Bogen um ihn machen. Wenn man genug Geld hat, mag er einen. Aber wehe, du kannst ihm nichts bieten. Wieder die Mafia. Sie stoßen dich auf die Straße und verlangen deinen Sonntag, den Samstag auch.

Ich weiß nicht, wie es werden wird. Deshalb trage ich meinen Sonntag unter der Unterhose. Dort findet man ihn nicht so leicht. Alte Omas verstecken ihn unter dem Kopfkissen und wundern sich, dass er nach einem Einbruch fort ist. Wer seinen Sonntag allein lässt, ist selbst schuld. Man sollte ihn überall mit hinnehmen.

Ich muss jetzt aufhören, sonst ist bald Montag. Ein Sonntag will sorgsam behandelt werden. Wer ihn überstrapaziert, muss sich nicht wundern, wenn er schon beizeiten sein Fell verliert.

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Mischmasch

Sonntagsnotiz

>>>>Sonntagsnotiz – Ein Idyll

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Die Stimmen

Die Stimmen (6)

Samstag, 17. August 2013

Er kann gar nicht glauben, was er plötzlich tut. Er sitzt da und schreibt ein Kinderbuch, nein, kein Kinderbuch, sondern ein Noir-Märchen.

Die Seiten tippen sich von ganz alleine, sie entstehen wie nebenbei. Alle seine Bücher, die ihm etwas bedeuten, entstanden so, aus der Gewissheit heraus, geschrieben werden zu wollen.

Seine Frau hängt mit der Tochter, die ihn an diesem Morgen eine ihrer Geschichten lesen ließ, Wäsche auf. Sie unterhalten sich, während der Wind ihre Haare anhebt, ganz sacht, als wolle er deren Schwere spüren.

All diese Momente sind es, die ich aufbewahren will, denkt er, und schnell öffnet er die Datei, um darüber in seinem Tagebuch zu berichten. All die flüchtigen Momente der Schönheit sind es, die er einfangen will.

Und schon hat er es getippt.

Das Leben ist schneller als seine Finger, denn während er noch die Vergangenheit an die Oberfläche hebt, hat die Gegenwart ihn bereits wieder eingeholt. Seine beiden Frauen stehen neben ihm, eine schöner wie die andere, und sie beugen sich über ihn, der er schreibt, und küssen ihn auf die Stirn und sagen wie aus einem Mund: „Wir lieben dich!“

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Mischmasch

Die Zimmer

Ich bin ein Hausbewohner. Das ist keine Kleinigkeit. Ich muss die Zimmer abschreiten. Öffne ich eine Türe, kann es sein, dass ich überrascht bin, weil sich dahinter ein Zimmer verbirgt, das ich bisher noch nicht kannte.

Es ist ein Haus, das lebt.

Nacht für Nacht sterben Zimmer ab, neue wachsen.

Ich habe Angst, mich in einem Zimmer aufzuhalten, das verschwinden wird. Wohin gehen all die Zimmer? Fallen sie wie Blüten zu Boden? Werden sie vom Wind fortgetragen? Ich weiß es nicht! Es könnte auch sein, dass sie unsichtbar werden. Vielleicht erwachen sie in einem Jenseits für Zimmer. Der große Zimmer-Himmel, in dem Unmengen von Zimmern auf Wolken liegen. Sie spielen keine Harfe. Wie sollte das auch gehen, es sind doch nur Zimmer.

Nur Zimmer, das sagt sich so einfach, aber es sind keine gewöhnlichen Zimmer. Sie betrachten mich, ich kann ihre Blicke spüren. Sie betrachten mich, versuchen herauszufinden, wer ich bin. Sie versuchen herauszubekommen, was das ist: ein Hausbewohner.

Ich bin ein fremdes Geschöpf für sie. Eines, das keinen Zweck erfüllt. Ich bin die Ameise, die über ihre Haut läuft, bin die Spinne, die man totschlagen sollte. Ich kann den Hass der Zimmer spüren. Nicht mehr lange und sie werden meiner überdrüssig geworden sein. In einer Welt voller Zimmer ist für Menschen kein Platz. Das ist falsch. Ich erkläre es ihnen, wieder und wieder. Räume sind dazu da, dass man sie füllt. Mit Anwesenheit, mit Möbeln, mit Menschen. Die Zimmer hören sich meine Vorträge stumm an.

Ist erst Winter, werde ich den Kaminen einheizen. Ich werde die Zimmer wärmen, damit sie nicht frieren, auch wenn ich nicht weiß, was sie tatsächlich fühlen. Es könnet sein, dass ihnen Hitze und Kälte einerlei sind.

Am Morgen, wenn ich erwacht bin, beginne ich meine Runden zu drehen. Vorsichtig spähe ich in die Flure, um zu überprüfen, wo sich neue Türen gebildet haben. Die Türen haben keine Klinken, man muss die Türen aufbrechen, muss sie wie Nüsse knacken. Es tut mir leid, die Zimmer zu verletzen. Ist die Tür erst offen, betrete ich das Zimmer, vorsichtig, Schritt für Schritt, um das eventuell kleine Zimmer nicht zu ängstigen. Es gibt sie alle. Zimmer, die so groß sind, dass ihre Enden nie zu erreichen sind. Babyzimmer, die klein sind, so klein, dass man seinen Fuß unterbringt, sonst nichts. Man setzt ihn ab und versucht ihn zu drehen. Es geht nicht. Also zieht man ihn zurück und spricht leise auf das Zimmer ein. Es könnte sein, dass es schläft, und man will doch ein Zimmer, das schläft, nicht unnötig wecken. Babyzimmer neigen zum Schreien, hat man sie unsanft aus ihrem Schlummer gerissen. Ihr Brüllen erschüttert die Grundfeste, es kann sogar sein, dass das Haus wie bei einem Erdbeben geschüttelt wird, bis es Zimmer verloren hat, deren Verschwinden noch gar nicht vorgesehen war.

Mittags speise ich meist allein. Ich lehne mich an eines der Fenster und blicke in eine Welt, die mir Häuser zeigt. Keine Menschen.

Die Menschen sind dazu gemacht, Hausbewohner zu sein. Es kam schon vor, dass ich anderen begegnet bin. Gleich zu mehreren trafen wir uns einst in einem Zimmer, das in Form und Aussehen an einen Ballsaal erinnerte. Wir standen in kleinen Kreisen zusammen und unterhielten uns über die Zimmer, die wir bereits kennenlernen durften. Es gibt legendäre Zimmer, wie etwa das Bernsteinzimmer, die in unseren Gesprächen eine Rolle spielten. Später verliefen wir uns in den angrenzenden Zimmern, bis wir uns ganz aus den Augen verloren, weil sich die Struktur des Hauses so beständig von Nacht zu Nacht ändert.

Manchmal komme ich mir einsam vor. Ich entzünde in den Nächten eine Kerze und betrachte mein Spiegelbild in einem Fenster. Zimmer, Außenwelt und ich verwachsen so zu einem einzigartigen Wesen.

Später verkrümele ich mich in eine Ecke eines Zimmers, bibbernd, ob ich den nächsten Tag erleben werde.

Die Welt ist so eingerichtet, dass alles einen Sinn hat. Die Zimmer sind für die Häuser da. Die Zimmer sind dazu da, dass wir Menschen in ihnen sind. Wir Menschen wiederum müssen die Zimmer bewohnen.

Es gibt so viele Fragen, die unbeantwortet bleiben. Wer schuf die Häuser, die Zimmer? Wer schuf uns? Was passiert mit den Zimmern, die über Nacht verschwinden?

Mein Vater wusste auch keine Antworten auf all diese Fragen. Er verschwand eines Tages in einem Nebenzimmer, das kurz darauf nicht mehr existierte. Ob es ein fleischfressendes Zimmer war, das sich nach seinem Mord aus dem Staub machte, weiß ich nicht. Verfügen die Zimmer über die Kraft, sich zu bewegen? Werden sie zu Teilen anderer Häuser?

Ich könnte das Haus verlassen. Aber was wäre dann gewonnen? Ich würde ein neues Haus betreten.

Ich denke nicht, dass man sich über sein Leben zu viele Gedanken machen sollte.

Ich bin ein Hausbewohner. Ich laufe von Zimmer zu Zimmer. Ich weiß nie, was mich erwartet.

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Lesereise des Grauens

Samstag II (Über das Schreiben und das Glück)

Immer diese Schreiberei. Erschöpft sitze ich in meinem Stuhl, den ich für das Schreiben reserviert habe.

Das ist mein Schreibstuhl, erkläre ich, wenn jemand zu Besuch kommt. Die Leute, die wir Besucher nennen, wollen ihn berühren. Ich sehe das nicht gerne, weil ich abergläubisch bin.

Am Ende schwindet die ganze dem Schreibstuhl innewohnende Schreibkraft aus dem Schreibstuhl. Und dann? Keine Ideen, keine Worte. Schweigen!

Wie soll ich das meinen zahlreichen Verlegern erklären? Kein neuer Rohm. Ich habe jetzt einen Schweigestuhl, müsste ich ihnen sagen. Die würden das gar nicht verstehen. Und dann? Ein tiefer Fall. Vermutlich würde ich in der Gosse erwachen. Das kann ich nicht riskieren, weil mein Leben finanziert werden muss. Der Rolls, die Villen, die Frauen, die Kinder. Sie alle verlassen sich auf mich und meinen Schreibstuhl. Deshalb muss er unberührt bleiben.

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Lesereise des Grauens

500.- Euro Strafhonorar

„Gerne hätte ich heute zwei neue Blogs vermeldet. Der Krimikritiker Tobias Gohlis betreibt seit Kurzem ein eigenes Blog sowie ein Blog zu einer Tagung, die sich „Krimis machen“ nennt. Leider kann ich diese Blogs hier nicht verlinken. Das hat einen einfachen Grund. Herr Gohlis droht. Wer in das jeweilige Impressum seiner Blogs schaut, wird eine Passage finden, in dem jedem, der – auch nur auszugsweise – Texte aus diesen Blogs übernimmt, ein Strafhonorar von mindestens 500. – Euro angedroht wird, wenn er sich nicht vorher die Erlaubnis beim jeweiligen Urheber eingeholt hat. Selbst einfache Zitate also bitte nur mit Genehmigung vorab!“  Ludger Menke

Warum die Krimi-Depeschen bestimmte Blogs nicht verlinken, können Sie >>>>HIER lesen!

 

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Funkenmariechen des Todes

Zur UNTAT (6)

„Denn Untat ist eigentlich ein Mindfuck par excellence. Was ist wirklich? Was erfunden? Wo fängt Schuld an? Wer ist überhaupt real? Die beiden namenlosen Reporter? Der lügende Oscar? Keiner von ihnen? Alles nur die Ausgeburt eines schizophrenen Geistes? Tatsächlich erinnert Untat am Ende stark an etwas aus dem Jim Thompson-Kosmos: Reduziert, eigenwillig, dreckig, krank.“ Myron Bünnagel

Die komplette Rezension können Sie >>>>HIER lesen!

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Funkenmariechen des Todes

Der Sonntag

Ja! Der Sonntag! Das ist natürlich so ein Tag, so ganz ohne Tag, wie man es sonst kennt. Ohne den Alltag eben! Der Sonntag ist quasi der entschlackte Wochentag. Ja! So ein Tag, den man auf Diät gesetzt hat. Da hat man zu ihm gesagt: Du nimmst jetzt ab. Keine Arbeit, keine Telefonate, kein Stress.

Ist ja alles schön und gut. Aber die Verwandtschaft, die hat das wohl nicht mitbekommen. Da muss man ihr das eben erklären, die Sache von Gott und seiner Schöpfung, und das er dann am siebten Tag ruhte. Da hat er nicht gesagt: Jetzt habe ich die ganze Woche über die Welt gemacht, jetzt will ich unbedingt Besuch von ein paar Erzengeln. Das hat er nicht gesagt. Besser wäre es gewesen. Denn dann hätte es auch in der Bibel gestanden, und wäre heute ein Gebot, auf das man sich berufen könnte. Am Sonntag, könnte man sagen, gibt es keinen Besuch.

Man muss sich wieder mal besinnen, auf den Sinn des Sonntags. Der ist da, damit man … In die Sonne kann man sich legen. Oder in sein Bett. Der Fernseher ist auch für den Sonntag gemacht worden. Die Kinder nicht. Damit wir uns da nicht missverstehen. Die Kinder haben im Sonntag nichts verloren. Die müssen raus. Hasen füttern. Einen Baum können die ansägen. Ein Baumhaus bauen. So ein Kind ist ein Störfaktor am Sonntag. Am Sonntag will man sich ausruhen, da will man Kräfte sammeln, um die kommende Woche zu bewältigen, um in seinem Job seinen Mann zu stehen. Auch die Frau muss ihn stehen. Das will ich gar nicht in Abrede stellen. So eine Frau ist ja auch nur ein Mann, zumindest in den heutigen Zeiten. Da muss eine Frau alles machen, was ein Mann auch macht: Demonstranten verbrügeln, eine Bank führen … Nö, so weit sind sie in den Vorstandsetagen noch nicht. Egal! Der Sonntag muss uns heilig sein. Das ist ein Krieg, den wir gegen die führen müssen, die uns den Sonntag kaputt machen wollen, die ihn uns kaputt besuchen, diese ewigen Klingler, Läuter, Vor-der-Haustür-Steher, die unser Heiligtum beschmutzen wollen. Sonst regt man sich auf, und dann ist sie hin, die ganze sonntägliche Stimmung, diese Ruhe, die man braucht. Da wird man ganz nervös, und ehe man sich versieht, haut man einem eine rein, der gar nichts dafür kann. Schade wär das für den Sonntag, oder etwa nicht?

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Funkenmariechen des Todes

Die Hoffnung stirbt zuletzt

So geht das. Ihr Kopf beugt sich vor. An die Scheibe. Fühlt sie. Kühl! Die Gedanken auf Eis legen. Sehen. Strecken. Mit dem Kopf durch die Scheibe. Ein Notarztwagen. Was ist da? Da wird geblutet. Bestimmt. Vielleicht sogar gestorben. Ohne sie. Dabei ist sie einsam. Sie könnte ein bisschen Abwechslung vertragen. Ein wenig Tod. Helfer, die sich über sie beugen. Als Leiche bekäme sie die Aufmerksamkeit, die man ihr seit Jahren verweigert. Sie öffnet das Fenster. Nur ein wenig. Durch den Spalt dringen Geräusche. Gesprächsfetzen. Worte, die sie nicht versteht. Sie wird sie deuten. Wird den Worten einen Sinn verleihen. Das Ohr würde gerne fliegen können. Der Notarztwagen steht noch. Jetzt geschieht etwas, was sie verpasst. Sie könnte ins Treppenhaus. Das Ohr nach unten schwingen lassen. Einmal in zehn Jahren wird in dieser Straße gestorben. Und sie ist nicht dabei. Sie tragen einen raus. Die Leiche? Nein! Der Herr Maier. War zu erwarten. Bei dem Lebenswandel. Grüßen tut er auch nicht. Die Unfreundlichkeit wird ihn unter die Erde gebracht haben. Was? Da! Maier bewegt einen Arm. Keinen Anstand, der Mann, sie wusste es. Lebt noch, wo er doch tot sein sollte. Er winkt. Wem? Ihr? Rasch tritt sie zurück. Nur nicht entdeckt werden, sonst heißt es noch, sie sei neugierig. Sie steht im Zimmer, mittendrin. Sie rührt sich nicht. Kein Atemzug. Was ich nicht sehe, sieht mich nicht, denkt sie. Der Notarztwagen fährt. Sie kann es hören. Kein Geheul. Nichts. Sie wagt einen Schritt, da liegt die Straße bereits wieder leer vor ihr. Nur die üblichen Autos. Keine Not, kein Tod.

Dabei hatte der Nachmittag so vielversprechend begonnen.

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Funkenmariechen des Todes

Kreta-Platte

Jetzt ist Glock am Schreiben. Das tut er ständig, selbst wenn er nicht schreibt, schreibt er, dann im Kopf, mühsam mit seinen zwei, drei Fingern, die sich dienstbeflissen zeigen. Er sitzt z.B. in einem Restaurant und während seine Frau etwas erzählt, von der Arbeit oder über eine Freundin, tippt der Glock an einer Geschichte über einen Mann, der sich in ein Bushaltestellenhäuschen verliebt.

Der Glock schwitzt beim Erfinden, weil ihm der junge Mann leid tut, wie er da im Wohnzimmer der Eltern hockt und seinen Erzeugern beibringen muss, dass er sich in ein Häuschen verguckt hat, das bereits bei ihm im Schlafzimmer steht, auch wenn es dort nun ein bisschen eng ist.

Die Eltern reißen entsetzt die Augen auf, die Äpfel treten aus der Höhle, sodass man Angst haben muss, dass sie jeden Augenblick auf den Teppich fallen.

Eine wilder Affäre folgt. Küsse unter Brücken. Menschen, die sich unter das Dach des Häuschens drängen, die auf einen Bus warten, der nie halten wird.

Bis das Häuschen schließlich eines Tages spurlos verschwindet. Der junge Mann verkraftet es nicht. Er springt von einer Brücke. Die eiskalte Strömung des Flusses reißt ihn mit sich, tiefer und tiefer in ein Gebiet, in dem noch …

Nein! Glock hält inne. Völlig verfahren. Er wischt die Tastatur zornig von seinem Kopfschreibtisch. Vielleicht wird er sich später darum kümmern.

„Was hast du gesagt?“, fragt er seine Frau.

„Für dich die Kreta-Platte?“

Er nickt. Und dann fantasiert er bereits wieder. Kreta-Platte. Das wäre ein guter Titel. Rasch bückt er sich nach der Tastatur und haut in die Tasten. Das muss was werden. Was Großes! Er kann es spüren.