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Mischmasch

Thomas Mann in einem Brief an seine Waschfrau

Sehr verehrte Frau Schleusenberg,

Sie haben mir eine Ehre erwiesen mit der Übersendung meiner sauberen Wäsche und haben mir eine höchst angeregte Stunde damit bereitet. Mein inneres Verhalten dazu wechselte zwischen der beifälligsten Zustimmung und einer gewissen Bestürzung über einen oft etwas gewalttätigen Einatz von Scheuermitteln, und zwar sowohl bei der einzelnen Unterhose wie auch in der Gesamthaltung, die ja ohne Zweifel ein wenig ins Pedantische fällt. Verzeihen Sie diesen Ausdruck, der sachlich natürlich durchaus nicht am Platze ist, aber was ich meine, ist ein gewisser Wille zur peniblen Genauigkeit, der in meinen Augen ein wenig krank anmutet. Sauber muss nicht ins Fascistische abgleiten, und darum muss ich Sie künftig der Dienste, die Sie meinen Unterhosen leisteten, entbinden. Sauber soll mein Unterwerk, bezeichnen wir es so, schon sein, nicht aber von allen Spuren menschlicher Tätigkeit befreit.

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Mischmasch

Die Frankfurter Buchmesse 2014 – So war sie wirklich

feuerstein

Herbert Feuerstein, der sich unter anderem im Interview zu unserer langjährigen Freundschaft bekannte. „Ich mag den Kerl einfach.“ Danke, Herbert, ich dich auch.

kramp

Der Weinkenner, Bartträger, Nackttänzer, Blumenzüchter, Schriftsteller und Verleger Ralf Kramp begrüßte mich auf den Knien, das Haupt geneigt. Ein Mann, der weiß, wie man mit mir umzugehen hat.

Abendschein

Der Schriftsteller, Verleger und Herausgeber Hartmut Abendschein und ich

dpr

Der Krimiautor, Kritiker, Verleger und Ziehvater zahlloser Mädchen Dieter Paul Rudolph und ich

Imre

Imre Török und ich

Jannis

Die Frankfurter Szenegröße Jannis Plastargias und ich

schütz

Jürgen Schütz vom Septime Verlag und ich

suhrkamp

Wunder geschehen immer wieder. Nachdem er Teile seines neuen Romans vorgesungen hat, wurde dieses Talent – so munkelt man – augenblicklich von Suhrkamp unter Vertrag genommen.

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Das linke Ohrläppchen des Satans

Mittwoch

Es hatte in der Nacht geregnet.

Zuerst hatte es platsch gemacht, dann platsch, platsch, platsch, platsch.

„Der verfluchte Regen!“, rief ich. „So kann ich nicht schlafen!“

Ich rief bei meinem Sonnenanbeter an, der sich normalerweise um das schlechte Wetter kümmert. Was war da los? Der Kerl war nicht da! Vielleicht ausgewandert, dachte ich. Kann ihm auch niemand verübeln, bei diesem verfluchten deutschen Sommer.

Um mich abzulenken, schritt ich die Längsseite des Ehebettes ab. Hin und her. Drehung am Bettpfosten. Zurück. Drehung. Zurück. Ich kam mir wie ein gefangens Tier vor. Wie der Graf von Monte Christo in einem Regengefängnis. (Sie erinnern sich sicherlich an den Roman.)

„Was hat du denn?“ fragte meine Frau.

„Der Regen“, gab ich zurück, „der Regen macht mich wahnsinnig.“

„Ach so!“

Und schon schnarchte Wilhelmine (Name geändert) wieder. Sie schnarcht, wenn es zu entscheidenden Momenten in meinem Leben kommt, wie damals, als sie mir den Nobelpreis zum fünfzehnten Mal vorenthielten. Es war einfach kein Verlass auf sie. Frauen sind anders. Sie sind wie ein anderes Geschlecht, als ob ihnen geile, dicke Brüste wachsen würden, die man wollüstig in seine schmierigen zwei Hände packen möchte. Ich betrachtete sie von oben bis unten.

Der Regen hatte indes nicht nachgelassen. Trübsinn lief in langen Schlieren über meinen Körper, über dieses eingeölte, gestählte Ding auf zwei Beinen. Um mich abzulenken, machte ich ein paar Turnübungen. Hand auf. Hand zu. Hand auf. Hand zu. Erschöpft brach ich diesen barbarischen Akt der Selbsterniedrigung ab. Ein Schweißfaden seilte sich auf meine Unterlippe ab. Noch einige Nächte in der Art und ich würde meinem Doppelgänger Bertram (Name geändert) die Kugel geben. Schlaflosigkeit ist das Joch des 21. Jahrhunderts. Die Schlaflosigkeit wird jene Bestien gebären, denen wir jetzt schon so viele Filme widmen: Zombies. Sie werden kommen und uns in unseren Schlaflosigkeitskammern, die in Kürze auf den Markt kommen werden, überfallen. In die Nacken und in die Zehen werden sie uns beißen, sie werden ganze Stücke aus unseren durchtrainierten wunderschönen Körpern reißen. Wie Wölfe werden sie nicht heulen, wohl aber wie kleine Schweine grunzen. Herz- und Hirnlos werden sie sich zur herrschenden Spezies entwickeln. Sie werden … Irgendwie kam mir die Beschreibung bekannt vor. Ein gewisser Typ des westeuropäischen Politikers müsste sich darin wiedererkennen.

Um nicht völlig den Verstand zu verlieren, schaltete ich den überdimensionalen Fernseher ein. Nichts! Keine Befreiung meiner angespannten Nerven. Ich könnte etwas lesen. Ich griff nach den Büchern, die meine Tochter aus der Fuldaer Kinderakademie, auf der sie seit ihrem achtzehnten Lebensjahr studiert, mitgebracht hatte. Romane, die für den Jugendliteraturpreis nominiert waren. Ich las, noch stehend, Bilder aus Ägypten im Rücken und kochte vor Wut. Das war gut geschrieben. Sehr gut sogar! Was bildeten die sich denn überhaupt ein, diese Kinder- und Jugendautoren! Wunderbare Bilder, wie man sie kaum in einem der Bücher von Rüdiger Selbiger und Nathan Weizenbier fand. Großartige Literatur. Angewidert warf ich den Brocken, der mit so viel Schönheit gefüllt war, weit von mir, direkt hinaus aus dem Fenster in den Vorgarten, der Statue auf die Nase, die man zu Ehren von Daniel Meistermann, meinem Lieblingsschriftsteller, vor Jahren dort errichtet hatte. Der Regen weichte das Buch in wenigen Sekunden ein. Wie eine Primel ging es ein, wie ein Pullover, der zu heiß gewaschen worden war. Und das nur, weil man mich echauffiert hatte. Die Nacht, sie schien kein Ende nehmen zu wollen, auch wenn sie es heute Morgen doch tat.

O Wunder der Zeit!