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Mischmasch

Die kalten Finger des Herrn Tod

„Kaum hatte ich mich damit arrangiert, dass wir künftig zu dritt auf dem Karren leben würden, fand ich eines Morgens einen Zettel von Nadja. Sie schrieb: Lieber Dimitri, die Zeiten waren hart, aber du nicht, deshalb bin ich mit dem Gevatter Tod auf und davon. Er will mir so viel zeigen, auch wenn er beruflich stark eingebunden ist. Ich bin jetzt auch tot. Das erleichtert unser Zusammenleben. Tot ist wunderschön. Ich kann dir diesen Zustand nur empfehlen. Du frierst nicht mehr, lachst nicht mehr. Du musst auch keine Wäsche mehr aufhängen. Wenn ich länger darüber nachdenken, muss ich feststellen, dass du wohl schon seit deiner Geburt tot bist. Lustig, was? Lass dich von Arkadi durchs Leben tragen. Gehabt euch wohl. Deine Nadja.“

Aus „Die kalten Finger des Herrn Tod“, Tagebücher des Dimitri Verscenko

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Mischmasch

Dimitri Reloaded

„Mein Verleger Irina ist vorgestern eingetroffen. Erschöpft sah er aus. Die Brüste standen weit in die Landschaft. Er habe seinen Verlag verkaufen müssen, erklärte er. „Verlasse deine Frau, Dimitri!“, forderte er mich auf. „Ich will fortan dein Weib sein.“ Der Gedanke reizte mich. Leider bin ich auf Arkadi angewiesen, dem der Vorschlag weniger reizvoll erschien. Um meine Flucht heimlich planen zu können, musste sich Arkadi die Augen verbinden. Er rempelte alle paar Meter etwas an. „Der Junge ist mein Esel. Sieh, was meine Frau getan hat! Die Füße hat sie mir amputiert.“ Einen Tag später war Irina fort. Durchgebrannt mit dem seit Jahren arbeitslosen Dorftürsteher. Die Welt ist eine Schlangengrube.“

„Jetzt, da Irina fort ist, spreche ich dem Wodka zu. Arkadi, der seiner acht Jahre wegen leider nicht trinkt, muss den Gang eines Betrunkenen imitieren, damit mein Kopf und sein Körper zu einer Einheit verschmelzen. Grölend liege ich auf seinem Rücken. Meine Hände hat er um seinen Hals geknotet. „Lass uns ein Lied singen“, bettelte ich Arkadi an, der mich eine Last nennt. Da er nicht dazu bereit war, begleitet uns seit einigen Tagen der Chor. Nadja verzweifelt an der Situation. Sie hat unsere Habseligkeiten auf einen Karren geladen und zieht mit mir um die wenigen Häuser des Dorfes. „Essen ist fertig“, tönt es manchmal direkt neben mir an der Theke oder der Tischkante eines Nachbarn. Sie sitzt und stopft und näht. „Du bist ja schon wieder betrunken, du Schwein!“, schimpft sie, wenn mich Arkadi des Morgens von seinem Hals bindet, um mich in den Karren plumpsen zu lassen. Dort liege ich und schlafe meinen Rausch aus. Unlängst erschien mir Gevatter Tod, der, ich bin mir sicher, hauptsächlich damit beschäftigt schien, Nadjas Hinterteil zu begutachten. „Gut, gut“, murmelte er unentwegt.“

„Gevatter Tod ist zu uns auf den Karren gezogen. Er stinkt fürchterlich. Weil er aber der Tod ist, wage ich nicht, ihn darauf anzusprechen. Er isst uns die letzten Vorräte weg und treibt es vor meinen Augen mit Nadja, die meint, der Sex mit ihm wäre zum Sterben gut. Sie peitscht ihn an, nicht nachzulassen. „Gemach, gemach“, keuchte der Gevatter, der mich auf die Seite zog und mir zuflüsterte: „Die ist ja unersättlich, du Glückspilz!“ Unersättlich? Der wird sich noch wundern. Bereits heute musste er allein in diesem Landstrich 5 000 Jenseitsfahrten streichen, weil er nicht zum Arbeiten kam. Ein paar Monate, Jahre vielleicht, und die Welt wird an der Überbevölkerung wie an einer Krankheit leiden. 6 oder 7 Milliarden Menschen, unvorstellbar, noch, aber hat sich der Gevatter erst den Fängen von Nadja überlassen … Gott im Himmel stehe uns bei!“

Aus „Die kalten Finger des Herrn Tod“, Tagebücher des Dimitri Verscenko

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Das linke Ohrläppchen des Satans

Montag II

Die Sonne ist zurück. Ein Comeback der Extraklasse! Da steht sie und reißt ihre strahlend-goldenen Arme empor. Wer hätte das gedacht?!

Ich nicht. Ich habe den ganzen Tag im Schatten gelegen, unten im Kohlekeller und habe über die Kohle nachgedacht. Über den Geldfluss sozusagen. Wo geht die Kohle hin? In was wandelt sie sich, wenn wir sie erst verfeuert haben?

Sind wir doch mal ehrlich: Im Grunde haben wir alle zu viel Kohle. Wir stopfen unsere Bettdecken damit aus, weil wir den Banken nicht mehr trauen. Wir kaufen uns unsinnige Dinge wie Deo- und Motorroller davon.

Ich habe dem Heizer gesagt: „Pass ja auf meine Kohle auf! Ich habe sie gezählt! Sollte ein Stück fehlen, dann gnade dir Gott!“

„Das wär ja prima“, sagte er. „Auf die Gnade Gottes spekuliere ich schon seit Jahren!“

Der Heizer ist ein unanständiger und dreckiger Mann, der seine Frau, wie er mir erzählte, im Nachbarkeller kennenlernte. Sie ordnete gerade die Einmachgläser nach ihrer Größe, da sprach er sie unzüchtig von hinten an.

Die Tage in der Villa verfliegen wie Sand im Stundenglas, das Gevatter Tod einem am Ende seines Daseins überreichen wird; manchmal verfliegen die Tage auch wie Pollen, die einen zum Niesen bringen oder wie Vögel, die sich in der Gegend geirrt haben. Es ist kaum auszudrücken, obwohl ich für meine bildhaften Vergleiche berühmt-berüchtigt bin.

Guten Abend, Welt!