„Mein Verleger Irina ist vorgestern eingetroffen. Erschöpft sah er aus. Die Brüste standen weit in die Landschaft. Er habe seinen Verlag verkaufen müssen, erklärte er. „Verlasse deine Frau, Dimitri!“, forderte er mich auf. „Ich will fortan dein Weib sein.“ Der Gedanke reizte mich. Leider bin ich auf Arkadi angewiesen, dem der Vorschlag weniger reizvoll erschien. Um meine Flucht heimlich planen zu können, musste sich Arkadi die Augen verbinden. Er rempelte alle paar Meter etwas an. „Der Junge ist mein Esel. Sieh, was meine Frau getan hat! Die Füße hat sie mir amputiert.“ Einen Tag später war Irina fort. Durchgebrannt mit dem seit Jahren arbeitslosen Dorftürsteher. Die Welt ist eine Schlangengrube.“
„Jetzt, da Irina fort ist, spreche ich dem Wodka zu. Arkadi, der seiner acht Jahre wegen leider nicht trinkt, muss den Gang eines Betrunkenen imitieren, damit mein Kopf und sein Körper zu einer Einheit verschmelzen. Grölend liege ich auf seinem Rücken. Meine Hände hat er um seinen Hals geknotet. „Lass uns ein Lied singen“, bettelte ich Arkadi an, der mich eine Last nennt. Da er nicht dazu bereit war, begleitet uns seit einigen Tagen der Chor. Nadja verzweifelt an der Situation. Sie hat unsere Habseligkeiten auf einen Karren geladen und zieht mit mir um die wenigen Häuser des Dorfes. „Essen ist fertig“, tönt es manchmal direkt neben mir an der Theke oder der Tischkante eines Nachbarn. Sie sitzt und stopft und näht. „Du bist ja schon wieder betrunken, du Schwein!“, schimpft sie, wenn mich Arkadi des Morgens von seinem Hals bindet, um mich in den Karren plumpsen zu lassen. Dort liege ich und schlafe meinen Rausch aus. Unlängst erschien mir Gevatter Tod, der, ich bin mir sicher, hauptsächlich damit beschäftigt schien, Nadjas Hinterteil zu begutachten. „Gut, gut“, murmelte er unentwegt.“
„Gevatter Tod ist zu uns auf den Karren gezogen. Er stinkt fürchterlich. Weil er aber der Tod ist, wage ich nicht, ihn darauf anzusprechen. Er isst uns die letzten Vorräte weg und treibt es vor meinen Augen mit Nadja, die meint, der Sex mit ihm wäre zum Sterben gut. Sie peitscht ihn an, nicht nachzulassen. „Gemach, gemach“, keuchte der Gevatter, der mich auf die Seite zog und mir zuflüsterte: „Die ist ja unersättlich, du Glückspilz!“ Unersättlich? Der wird sich noch wundern. Bereits heute musste er allein in diesem Landstrich 5 000 Jenseitsfahrten streichen, weil er nicht zum Arbeiten kam. Ein paar Monate, Jahre vielleicht, und die Welt wird an der Überbevölkerung wie an einer Krankheit leiden. 6 oder 7 Milliarden Menschen, unvorstellbar, noch, aber hat sich der Gevatter erst den Fängen von Nadja überlassen … Gott im Himmel stehe uns bei!“
Aus „Die kalten Finger des Herrn Tod“, Tagebücher des Dimitri Verscenko