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Mischmasch

Musicals, die in Kürze kommen, um damit die Welt ein wenig hässlicher zu machen (1)

Rambo – Das Musical

Erleben Sie Einzelkämpfer John Rambo, der sich trotz eines schmerzhaften Wadenkrampfs aus der grünen Hölle des vietnamesischen Dschungels in die Vereinigten Staaten singt. Dort begegnet er einer Gesellschaft, die den zerlumpten, ungemein gut aussehenden Vietnamveteran wegen eines Sprachfehlers ablehnt. Rambo lispelt.
Aber John Rambo gibt nicht auf und zersingt die Herzen seiner Gegner, bis er schließlich – bis zu den Knochen im Blut seiner Feinde watend – seinen letzten großen Hit schmettert, der von seiner Sehnsucht nach einer Welt ohne Krieg kündet.
Emotional und ergreifend. Mit mehr als 1000 verstümmelten Statisten und 500 sterbenden Tänzern. Siebentausend Liter Kunstblut kommen zum Einsatz. Eine Guido-Rohm-Produktion. Regie: Markus Röckenbrögg
Erleben Sie: RAMBO – Das Musical
Und bald schon RAMBO II – Die Rückkehr des Musicals

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Mischmasch

Zerstörte Zeitgläser

3 Gedichte von Frank Levoi

Das Aroma der Wut

Ich werde mich abfackeln,
werde zur Glut meiner Texte.
Ich liege mit meinem Skelett
eng an eng.
Schlafe mit mir
und meinem Tod.
Ich verteile mich
in meine Lungen, meine Zunge.
Schmecke mein Blut,
das Aroma der Wut.

Rote Stunden

Er kriecht durch Eisenbahntunnel,
ein Zeitnomade,
frisst Gedankenströme,
die in den Zügen hocken,
Zeitung lesend, verwesend
am lebendigen Leib.
Den Geruch des Todes
schüttelt er aus seinem Mantel,
Staub, der fällt, Milliarden Körner,
die sich zwischen die Schienen setzen,
zwischen seine Zähne, die er
schmeckt, leckt, bis seine Zunge
rot
vom Tod ist.

Tödliche Automatismen

Automaten wachsen hinter seinem Haus,
rote, gelbe, blaue Automaten sprießen
in seinem Kopf.
Er steht am Fenster, im Leerlauf.
Sein Mutter im Bett, sterbend,
mit einem Motorbrummen, ganz tief.
Er muss den Antrieb finden, den
Motorblock durchsuchen, dieses ganze
Haus aus Schmerzen und Insekten,
aus Köpfen und Rümpfen.
Ein erster Schluck Formaldehyd,
um sich einzubalsamieren.
Ein paar Augen huschen am Fenster
vorüber.
Ein trüber Morgenbrei in seiner Hirnschale.
Er muss ihn auslöffeln.
Gas verlässt den Körper.
Die Wäsche des Todes, die Totenhemden,
alles flattert faulend im Verkehrswind
durchreisender Geister, die sich
nach den Automaten bücken, die rot, gelb, blau
vergehen.

© Frank Levoi

Aus Levois Gedichtband „Zerstörte Zeitgläser“ ( aus dem Amerikanischen übersetzt von Guido Rohm)

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Mischmasch

BLUTSUPPE

Jürgen, mein Sohn, saß am Tisch und verweigerte das Essen. „Das ist gute Blutsuppe“, erklärte ich ihm. „Abgezapft von unzähligen Babys, die ich heute Nacht entführt habe.“ Ich zeigte auf die Leiber, die im Mondlicht silbern aufglänzten. „Nein, nein“, beharrte Jürgen. „Ich habe mit dem Thema abgeschlossen. Ich bin ab sofort Veganer.“ Ich lachte laut auf. „Jürgen, wir sind Vampire, sieh das doch endlich ein.“

Aus „Blutsuppe“, Roman, vergriffen

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Mischmasch

Feldbibliothekar Nudelhuber

Der Soldat wollte gerade anlegen, da erschien neben ihm die Gestalt des Feldbibliothekars Alfred Nudelhuber.
„Was wollen Sie, Nudelhuber?“
„Ich hätte hier eine wunderbare Ausgabe von Goethes Gedichten.“
„Sie sehen doch, dass wir uns mitten in einem Gefecht befinden.“
„Die Gedichte könnten Ihnen eine kommende Waffenruhe versüßen.“
Eine Kugel streifte des Soldaten Schulter. „Ich bin getroffen“, ächzte er und fiel nach hinten in den Schlamm.
„Vielleicht jetzt?“, fragte Nudelhuber, der sich über ihn beugte. „Ich müsste Ihnen allerdings einen Leihausweis ausstellen, sollten Sie über einen solchen noch nicht verfügen.“

Aus „Feldbibliothekar Nudelhuber“, Roman, vergriffen

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Der Autor, den sie Horse nannten

Donnerstag

Als ich an diesem Morgen aufstand, die Füße nackt wie der gepeinigte Jesus Christus, der von seinem eigenen Tod auferstanden ist, und ins Wohnzimmer hinüberging, vom Jenseits ins Diesseits also, und dabei dachte, was soll das sein, ein Wohnzimmer, wo ich doch überall lebe, die Küche, das Klo, das Schlafzimmer, das sind mir doch alles Wohnzimmer, keines würde ich missen wollen, da strahlte das Mondlicht hell wie Sonnenlicht ins Zimmer hinein. Du Depp, dachte ich. Das Mondlicht ist ja Sonnenlicht.

So eine Gelegenheit kommt nicht wieder, dachte ich und zog mich aus und legte mich ins Sonnenlicht, das vom Mond ins Zimmer geleitet wurde. Meine Haut, die überempfindlich ist wie Toilettenpapier, zweilagiges, meine Haut, die bei jeder Wintergelegenheit reißt, könnte so die Bräune erhalten, die ich ihr sommers vorenthalten muss.

Die Haut, so mein dafür zuständiger Arzt, weil es heutzutage einen Arzt für jedes Haar gibt, hatte mir erklärt, dass die Haut ein Elefantengedächtnis habe, die vergesse nichts, vor allem nicht, wenn man sie schneide oder auspeitsche. Da kann das Hirn vergessen wollen, wie es will, die Haut wird sich weiterhin daran erinnern.

Auf einem Handtuch lag ich und dachte darüber nach, ein Mondscheinstudio zu gründen, eine große Halle könnte man anmieten, in die der Mond sein Sonnenlicht bei Vollmond wirft, damit sich all die gepeinigten Blassen eine sanfte Bräune zulegen können, die freilich so blass bleibt, dass man sie unter ein Mikroskop legen müsste, um die entstandene Bräune als solche identifizieren zu können.

Ganz still war es an meinem Wohnzimmerstrand. Kein dicken Frauen, die sich umdrehen wollen, und die es nicht schaffen, weil sie Probleme mit der Schilddrüse haben, keine kleinen Kinder, die Löcher in meinen Parkettboden schlagen, um eine Burg zu errichten. Das Bauen liegt dem Strandkind im Blut. Ständig will es etwas aus- und später eingraben. Kinder sind Baumeister und Totengräber in einer Person.

Lange lag ich nicht dort, weil ich fror, und weil es unangenehm und peinlich war, so allein an seinem Privatstrand zu liegen, und darum bin ich bald schon aufgestanden und habe das hier geschrieben. Ein wenig morgendliche Wahrheit, habe ich gedacht, die werden meine Leser schon aushalten. Deshalb liest man doch das Tagebuch einer wildfremden Person, gerade wenn Sie eine Person des öffentlichen Interesses ist. Man will erfahren, was der oder die so treibt, was ihn oder sie umtreibt, und Sie haben es wieder einmal erfahren, haben das erfahren, was eigentlich hinter vier Wänden verbleiben sollte.

Guten Morgen, Welt!

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Motorsäge des Schicksals

Mittwoch II

Der Sommer ist zurück.

Da steht er, ein Muskelprotz, den man nicht übersehen kann. Strahlendes Lächeln. Sonnenblumengelbes Haar. Die Zähne gebleckt. Und alle sitzen sie auf ihren Terrassen, den Balkonen. Sonnenbrillenbewaffnet starren sie ihn an. Jede Sekunde wird er hinabsteigen, er wird Autogrammkarten verteilen, einen Film drehen. Sie werden ihm eine Serie geben, werden ihn vom Koks abhängig machen. Nutten werden ihm zugeführt. Und er wird es genießen, wird sagen: Ja, ich bin es, der einzigartige Sommer.

Die Zeitungen werden ihn preisen, bis sie die Schnauze voll von ihm haben. Er sei gar kein richtiger Sommer. Sei ein Altweibersommer, einer, der es den alten Schreckschrauben besorgen könnte, nicht aber den jungen, den ausgehungerten Frauen. Die bräuchten – bitte sehr! – etwas mehr. Den harten Sommer, den langen Sommer. Den Sommer, der es bringt. Den Steher. Der mit dem Ständer, der sie alle um ihren Verstand vögeln würde. Einen Südseesommer, einen kubanischen Sommer. Einen Sommer, der sein Leben noch vor sich hat.

Nicht dich!, werden sie rufen. Du bist eine Null. Du bist der, dem der Winter folgt. Der Winter hängt dir bereits im Gefieder. Du hast den Herbst deines Lebens bald schon erreicht.

Und er, der Altweibersommer, der es noch einmal wissen wollte, wird sich in ein Motel zurückziehen. Er wird sich an sich selbst betrinken. Wird sich im Spiegel betrachten. Wird sehen, dass sie recht haben. Er wird am Ende sein. Er ist ausgebrannt.

Er wird sich verkriechen unter dem Bett, er wird vor den grauen Tagen fliehen, die ihn einholen werden. Sie zerren ihn hinaus. Sie werden ihm eine Kugel verpassen. Eine kleine, zärtliche Kugel.

Und während er stirbt, während das Blut ihn verlässt, wie ihn alle verließen, wird er von seiner Zeit träumen, von seinem Sommer, in der Gewissheit, dass im nächsten Jahr seinem Nachfolger dasselbe Schicksal droht.

Guten Abend, Welt!

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Funkenmariechen des Todes

Mittwoch

Wieder und wieder sitze ich da und starre die Wand an. Meine Frauen versorgen mich mit dem Nötigsten. Sie bringen mir eine Handvoll Kies, weil ich ihn, so ihre Ausführungen, früher geschätzt hätte. Wenn ich einmal abtauchen sollte, könnte mich Kies retten. Das wären meine Worte gewesen. Sie reiben ihn auf meine Haut, bis sie rau wird und aufplatzt. Das Blut interessiert mich nicht. Es läuft aus den Wunden und verteilt sich in kleinen Pfützen auf dem Boden.

Ich denke, auch wenn ich mich momentan nicht äußere, dass sie Angst um mich haben. Die Wachen auf dem Dach wurden verdoppelt. Aus dem nahen Wald ist ein Horn zu hören.

Hin und wieder erwache ich aus meinem Zustand, schüttele den Kies ab, und spurte zum Rechner, um rasch ein paar Worte zu notieren. Ist das geschehen, kehre ich zu meinem Platz vor der Wand zurück.

Es gibt auf der Wand nichts zu sehen, auch wenn es alle vermuten. Sie können sich nicht vorstellen, warum man sich sonst vor eine Wand setzen sollte. Es ist mehr die Ruhe, die ich dort aufsuche. Das Nichts, das auf der Wand zu finden ist, beruhigt meine aufgebrachten Nerven.

Dies wird einer der wenigen Augenblicke sein, an denen ich nicht dort hocke und starre. Ich schreibe. Die Frauen wedeln mir Luft zu und wollen mich davon überzeugen, nicht vor die Wand zurückzukehren.

Ich denke nicht, dass ich auf sie hören werde. Die Wand hat eine Kraft, die ich benötige. Meine Augen saugen das starre Einerlei, das sie ausstrahlt, ein.

Sie sollten mich nicht besuchen kommen. Niemand sollte mich in diesem Zustand sehen.

 

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Funkenmariechen des Todes

Die Welt, die noch ohne Farbe auskommen musste

Eine morgendliche Spinnerei

Ein Morgen wie aus einem Schwarzweißfilm.

Wenn ich als Kind vor dem Fernsehgerät meiner Eltern saß, vielmehr lag, denn ich lag seitlich zum Bild auf einem braunen Sofa, das bei jeder meiner Bewegungen wie ein Schweinchen quiekte, sah ich mir mit Bestürzung Nachrichten aus den alten Tagen an, die so weit ja noch nicht zurücklagen, denn am Ende dieser Zeit, die man Kriegszeit nannte, wurden meine Eltern geboren. Ich war nicht über das erschrocken, was mir in den Bildern gezeigt wurde, sondern wie es mir offenbart wurde. Früher, so dachte ich als Kind, muss die Welt schwarzweiß gewesen sein, vielleicht weil die Menschen so viel Schuld auf sich geladen hatten, oder weil keine Farbe für die Welt da war, weil man sie erst viel später fand, in einem Abstellraum der Weltgeschichte.

Ich war mir sicher, dass die Welt meiner Großeltern eine farblose Welt gewesen sein muss, eine, in der das Blut nicht so wunderschön rot schimmerte wie in diesen Tagen. Eine Welt, die nur in Abstufungen von Schwarz existierte, ein helles Schwarz folgte einem noch helleren, bis plötzlich ein Weiß zu sehen war, manchmal ein Weiß, das wie eine Blendung wirkte, sodass man sich die Augen zuhalten musste, wollte man nicht erblinden. Ach, die armen Leute, muss es durch meinen Kinderkopf gerast sein, rund herum um mein Denkzentrum, wie eine Modelleisenbahn, die meine Gedanken wie Wattequalm ausstieß. Damals spielte mein Denken noch mit sich selbst. Es geschah auf eine Art, die ich gerne wieder beherrschen würde. (Ich sagte erst gestern zu meiner Frau: Es geht nicht um eine Art von Fortschritt, sondern um einen Rückschritt. Wir müssen wie Kinder werden. Die Kinder, die wir waren. Dann wird alles gut.)

Die armen Leute, dachte die Modelleisenbahn also in mir, sie hatten nichts, nur Luftangriffe und Entbehrungen, nicht einmal Farbe hatten sie, die muss erst später dazu gekommen sein. Kurz vor meiner Geburt. So könnte es gewesen sein.

Und heute? Ein gräulicher Grautag, einer, der wie altes Spülwasser aussieht, ein Schwarzweißtag, der noch auf seine Farbe wartet. Ich helle den Himmel mit meinen Erinnerungen auf, färbe ihn damit ein.